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296 Psychische Studien. XXXII. Jahrg. 5. lieft. (Mai 1905.)
Augenblick9 wo, im Schlafe oder Tode, mein Bewusstsein
erlischt (A. P. 37), und entsteht beim Erwachen jedesmal
von neuem aus dem Nichts. (Psychomonismus =
Solipsismus), ünd damit nicht genug! Da mir auch
mein eigenes Ich unmittelbar nur als Vorstellung im Bewusstsein
gegeben ist, so „kann ich schliesslich nicht einmal
sagen, die Welt sei meine Vorstellung, sondern ich
muss sagen, sie ist eine Vorstellung" (A.P. oder richtiger:
eine Reihe, eine sich selbst tragende Perlenschnur bewusster Vorstellungen
, d. h. die Welt ist ein Traum ohne Träumer, ein
Traum, der sich sozusagen selbst träumt. Ja, auch hiermit
ist das Ende der psychomonistischen Gedankenreihe
nicht erreicht. Denn da schliesslich auch die Tätigkeit
des Träumens oder Vorstellens nicht mehr für etwas wirkliches
hinter diesen Traumbildern des Bewusstseins ausgegeben
werden kann, so darf ich nicht einmal sagen, dass
jener Traum ohne Träumer wirklich geträumt wird.
Der vermeintliche Zusammenhang der sich selbsttragenden
Vorstellungen ist selber nur ein Schein und die ganze
Welt verwandelt sich in einen blossen Traum von einem
Traume, „in einen Traum, der nur in einem Traum von
sich selbst zusammenhängt" {Fichte II, 245), D. h. der
Psychomonismus führt, wenn wir unter Psyche das allein
unmittelbar gegebene Einzelbewusstsein verstehen, bei konsequenter
Verfolgung mit unabweislicher Notwendigkeit in
den absoluten Illusionismus.*)
Bei dieser Auffassung stehen zu bleibet, ist offenbar
unmöglich. Ich muss, wenn ich nicht jede wissenschaftliche
Tätigkeit als sinnlos aufgeben, ja persönlich im Narrenhause
enden will, unbedingt über die beschränkte, oft unterbrochene
und scheinbar regellose Vorstellungswelt dieses,
um den Mittelpunkt meines Ich herumschwingenden Bewusstseins
irgendwie hinausgehen, muss mich zu der Annahme
irgend einer ausserbewussten Wirklichkeit, eines von
all meinem subjektiven Vorstellen oder Denken unabhängigen,
objektiv realen Daseins bequemen. Auch Verwarn sieht
sich zu diesem Schritt genötigt. Er gibt zu, dass ein
Lichtstrahl auch dann vorhanden ist, wenn er in keines
Menschen Auge fällt, in keinem die Empfindung „blau4'
*) Vergl. über diese hier nur kurz angedeuteten, abei tatsächlich
unabweisbaren Folgerungen: Fichte, Werke II, B. 245 und
E. von Hartmann „Das Grundproblem der Erkenntnistheorie", Seite
57—76. j)a8 letztere Werk, das für den geringen Frei« von 1 Mk.
zu haben ist, sei hiermit jedem nach philosophischer Bildung verlangenden
Leser als die beste Einführung in die Erkenntnistheorie
angelegentlich empfohlen.
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