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310 Payehisehe Studien. XXXII. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1905.)
weil hier jede Spur einer etwa beabsichtigten Täuschung
ausgeschlossen war. Ueber einen solchen Fall berichtet
das „ Photographische Wochenblatt41 vom 16, Januar 1900
nach einer englischen Quelle wie folgt: „Leutnant Long,
der in der zweiten Schlacht Lord Methueris gegen die
Buren gefallen ist, erklärte vor einiger Zeit einer Schwester
ein neues Gewehr, das dabei losging und das junge Mädchen
tötete. Nach seiner Abreise nach dem Kriegsschauplatz
schrieb er seiner anderen Schwester, die eine Anm-
teurphotographin ist, sie möchte doch das Grab der Schwester
photographieren und ihm senden. Die Aufnahme wurde
gemacht, und bei der Entwickelung zeigte sich das Grab,
neben dem Leutnant Long in Uniform stand." Für Spiritisten
war durch diese Aufpahme naturlich der Beweis füi
die Geistnatur des inzwischen verstorbenen Bruders erbracht
; der Kenner derartiger Bilder fand die Erklärung
darin, dass die photographierende Schwester zur Aufnahme
des Grabes eine Platte benutzt, auf der sie den Bruder
vor seiner Abreise nach Afrika photographiert hatte. Aus
irgend einem Grunde war die Platte iiicht entwickelt worden
und dadurch die erfolgte Benutzung in Vergessenheit
geraten. Die Aufnahme im Freien wirkte kräftiger als
das vermutlich im Zimmer gefertigte Porträt des Offiziers,
so dass letzteres geisterhaft durchsichtig erschien." — Dem
Einsender scheint die Tatsache unbekannt zu sein, dass
bei den von wissenschaftlichen Autoritäten wie Crookes,
Wallace usw. als echt bezeichneten Transszendental-Photo-
graphien von den betreffenden Gelehrten selbstredend
völlig neu gekaufte, eigenhändig präparierte und besonders
bezeichnete Platten benutzt zu werden pflegen, auf welche
also obige Erklärung keine Anwendung finden kann. (Vgl.
u. a. das Gutachten des Petersburger Zoologieprofessors
Dr. Wagner in seinem in der „Nowoje Wremja" vom 5.
Februar 1886 veröffentlichten Aufsatz „Theorie und Wirklichkeit
*', abgedruckt in den „Memoiren des Admirals W.
v. Pribytkoff'1, übersetzt von Feilgenhauer, Leipzig, 0. Mutze,
S. 107 ff.)
d) Suggerierte Geisteskrankheiten. Dem
„N. Wien. Journ." vom 16.1. 04 wurde aus Berlin berichtet,
dass eine ganze Familie, bestehend aus zwei Brüdern und
deren Schwester, zur Beobachtung ihres Geisteszustandes in
eine Irrenanstalt gebracht werden musste. Der Fall hatte
naturgemäss grosses Aufsehen hervorgerufen, da in Laienkreisen
allgemein die Ansicht vertreten ist, dass nur körperliche
Krankheiten zu Massenerkrankungen führen, nicht
aber geistige. Und doch ist es für den Irrenarzt keine gar
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