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314 Psychische Studien. XXXII. Jahrg. 5. lieft. (Mai 1005 )
Absicht und Tragweite eine Vorstellung zu haben. „Kabbaiistisch"
und „magisch* gilt vielfach als gleichbedeutend, und das spöttische
Lächeln, womit der „Gebildete4 von Magie spricht, trifft auch,
wenn sie je erwähnt wird, die Kabbala. Mag man nun ihre praktische
Seite als ein blosses Kuriosum betrachten, das immerhin
wenigstens vom Gesichtspunkte der Volkskunde viel Interessantes
bietet, so erscheint die theoretische Seite dean doch einer höheren
Beachtung wert; denn sie stellt, wie unser Verf. sagt, „einen freilich
von allerhand Beiwerk vielfach umwucherten, eigenartigen
Monismus dar, der mit seinen Grundgedanken auf die Entwicklung
der neueren Philosophie nicht unerheblich eingewirkt hat.* Auch
hier sind viele Schwierigkeiten und Dunkelheiten zu überwinden ;
der Verf. hat mit Geschick die Hauptpunkte cUr Spekulation hervorgehoben
und auch jene Wort- und Zauberkünste sehr hübsch
erläutert. — Nicht minder gelungen ist die Einführung in den
Koran. Seine Entstehung wird in Verbindung mit einem Abrisse
von Mnhammed's Leben dargestellt. Durch gut übersetzte Belegstellen
wird von den Lehren dec Koran über den einen Gott und
die Götzeo, über den Menschen im allgemeinen und über die Frauen
insbesondere ein Begriff gegeben, der Islam in seiner Beziehung
zum Judentum und Christentum betrachtet usd mit einer unbefangenen
Würdigung des „Buches* geschlossen — Durch die beigegebenen
Schriftproben, Bildnisse und andere Abbildungen, Anhänge
von Anmerkungen und Register ist in allen drei Schriften
der Wert der Auseinandersetzungen erhöht; der aufmerksame Leser
wird gewiss gern und dankbar einem Führer in eine Gedankenwelt
folgen, die schon von ihrer Schnelle an einen eigentümlich geheimnisvollen
Reiz auszuüben vermag. Weniekk>.
Die Seherin von Prevorst im Hochschiaf von Gähne! y. Max. Prof. der
Historienmalerei, Ehrendoktor der Universität Jena usw., herausgegeben
vom Kunstverlag von iSikoluus Lehmann, k. k. Hofkunsthandlung
in Prag; zugleich als Pendant zu desselben Meisters Ge*
mälde „Christus als ArztJ, in getreuer Gravüre, derselben Karton-
grösse (90 cm hoch, 120 cm breit) und zu demselben Preise von
M. 30.-.
Gabriel v. Max, der anerkannte Meister mystischer Symbolik,
zeigt in diesem Gemälde, dessen herrliches Original sich bekanntlich
im Besitz der Gallerie des „Rudolfinum* zu Prag befindet, eine
geradezu wunderbare Beherrschung seiner intimsten Gabe, die verborgensten
und tiefgehenden Regungen menschlichen Seelenlebens
zur Anschauung zu bringen und das den normalen Sinnen Unsichtbare
mit genialem Wurf gleichsam auf die Leinwand zu bannen.
Ein junges bleiches Weib — die weltbekannte „Seherin von Prevorst",
Frau Friederike Hauffe, geb. 1801 als Tochter des Pevierförsters zu
Prevorst in Württemberg, mit 19 Jahren vermählt, Mutter zweier
Kinder, vom 25. Nov. 1§26 bis zu ihrem Tod am 5. Mai 1829 von
Justinns Kerner in Weinsberg ärztlich behandelt und studiert — ruht
mit geschlossenen Augen im Bett. Ueber ihrem Gesicht liegt der
Abglanz einer unbekannten, geheimnisvollen, höheren Welt. Noch
hat der Tod den schwächlichen Leib nicht in seine starren Fesseln
geschlagen, aber das diesseitige Leben hat seinen Besitz scheinbar
schon aufgegeben und, auf der Schwelle zwischen beiden Daseins
ebenen schwebend, erhebt sich die allmählich frei werdende Seele
zum Flug in die Gefilde des Ewigen. Das dem Originalgemälde in
Form und Farbe mit vollendeter Technik aufs treuste nachgebildete
grosse Kunstblatt, das wie jede künstlerische Bewältigung eines echt
menschlichen Gefühls zu religiöser Andacht stimmt und den ganzen
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