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Vi Seeland: Die Logik der materialistischen Lehre etc. 345
die sich aus sich selbst fort und fort vervielfältigenden
Fortpflanzungskräfte mit einfachen physisch - chemischen zu
identifizieren, da uns letztere, z. B# die Wärme, doch auf
Schritt und Tritt das Gegenteil davon demonstrieren?
Kurz, wollen wir darauf bestehen, das Leben sei nichts,
als das Walten von physischen und chemischen Energien
, so müssen wir notgedrungen einschieben, dass die
unter diesen Worten verstandenen Kräfte sich noch in
einer ganz anderen Gestalt zu zeigen vermögen als die,
in der sie bisher gekannt und beschrieben wurden. Ist
dem aber so, so kann man es denen nicht verdenken,
die jene „anders gestaltetenil physisch - chemischen Kräfte
mit einem besonderen Worte — dem der „Lebenskräfte",
der ,,Dominanten", der „Kräfte zweiter Hand" und was
dergleichen mehr bezeichnen.
Dass diese Lebenskräfte. Dominanten usw. im weiteren
Sinne des Worts physische sind, d. h. sich auf Bewegungen
körperlicher Dinge beziehen, versteht sich von
selbst* Nun wurde schon früher demonstriert, dass die ungezwungenste
, bezw. nächstliegende Art, sich die Wechselwirkung
von Seelischem und Körperlichem vorzustellen, darin
besteht, einen psychopbysisehen Parallelismus anzunehmen
, d. h. vorauszusetzen, dass die psychischen Kräfte
zugleich physische (im weiteren Sinne) sind, diese aber
in gewissen feineren und höchst komplizierten Schwingungen
der zentralen Nervensubstanz bestehen. Unter
letzterer wird hauptsächlich die graue Substanz des
Gr e Ii i r n s verstanden. Doch kommen psychisch - physische
Erscheinungen sehr wahrscheinlich bereits in den Ganglien
und dem Bücken mark vor. Besagte Schwingungssysteme
aber sind der Mittelpunkt oder so zu sagen das
„Allerheiligste" der Lebenskräfte. Reden wir nun ^von
einer Wirkung des Seelischen auf das Leibliche, so*bedeutet
dies, dass die einer gegebenen seelischen Regung
entsprechenden Hirnschwingungen in dem oder in dem
Organ gewisse gröbere (im gewöhnlichen Sinne leibliche)
Vorgänge hervorrufen, wie z. B. die dem Schamgefühl entsprechenden
Hirnbewegungen sich im Erröten des Gesichts
reflektieren. Und wenn umgekehrt grobleibliche Vorgänge
(z. B. der Temperaturwechsel eines Körperteils) von der
Psyche wahrgenommen werden, so bedeutet dies, dass solche
Vorgänge gewisse feinere Hirnschwingungen anfachen, deren
Poppelgänger, die entprechende Empfindung, sogleich
auftaucht.
Jetzt aber kommt die Hauptsache. Auf welche
Art, bezw« auf welchen Wegen kommt das Leben
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