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348 Psychische Studien, XXXII. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1905.)
lebens aber geschieht eine vielmalige Uebertragung
der Lebenstätigkeit von schon bestehenden Elementen
des Wesens auf neue hinzukommende, um die abgehenden
zu ergänzen, so dass schliesslich möglicherweise,
wenn die Existenz des Regiments sich ihrem Ende naht,
niemand vou den alten Kämpfen, mehr da ist, und doch
das eigenartige Leben, der Geist und die Traditionen
bis ans Ende dieselben bleiben. —
Schliesslich ist hier noch einiges über P mkt A einzurücken.
In dem Falle mit dem Regiment wurde die Erschaffung
des Sammelwesens des näheren, wie gesagt, durch drei Bedürfnisse
eingeleitet: das des Mutterwesens, sich ein so und
so beschaffenes militärisches Organ zu schaffen; das der Instruktionsmannschaft
, sobald wie möglich zu einem vollzähligen
Regiment anzuwachsen; das der zusammentretenden Mannschaft
, selbst zu einem kriegstüchtigen Sammelwesen zu werden.
Ein Aehnliehes lässt sich bei der Entstehung eines organischen
Wesens beobachten; doch wird hier nicht sowohl von
einem Bedürfnisse, als von einem mehr oder weniger
blinden Drang die Rede sein können. Dieser ist
auch hier ein dreifacher: 1) der Drang des Mutterwesens
(im Falle geschlechtlicher Fortpiianzung beider elterlicher
Wesen), ein Neues aus sich zu erzeugen; 2) der Drang des
erzeugten Keimes zu einem Ganzen zu werden; 3) der
Drang des Nährmaterials, sich mit Hille des Keimes zu
organisieren.
Diebe Analogien halte ich in der Hinsicht für erwähnenswert
, als gewöhnlich Punkt 2 beim Entstehen des
Organismus nicht gehörig beachtet wird. Denn wenigstens,
wo es sich um nichtgeschlechtliche Fortpilanzung handelt,
sieht mau klar, dass das rege Leben des Keimes gerade
erst dann beginnt, wenn er seinem Mutterboden entrückt
wird. So lange ein Reis am Baum bleibt, bekundet es nie
jenes gewaltige Wachstumsbestreben, welches in
dasselbe fährt, sobald es vom Baum weggeschnitten und in
die Erde gesenkt wird. Die Versetzung in eine selbständige
Existenzform ist also hier einer der
Hauptreize, durch die das Leben des beginnenden Wesens
angefacht wird. Der Vorgang findet seine Analogie in jener
ungewöhnlichen, schon weiter oben erwähnten und näher
erklärten E r g ä n z u n g s t ä t i g k e i t, weiche die Zellen
eines lebenden Gewebes entwickeln, wenn ein Stück des*
selben gewaltsam zerstört wurde.
(Fortsetzung folgi.)
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