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394 Psychische Studien. XXXII. Jahrg 7. Heft. (Juli 1905.)
nicht irrationell, wenn man einräumt, dass dabei eine
geistige Haltung notwendig sein wird, die ein gewisses Zutrauen
, eine gewisse Sympathie und gleichzeitig auch eine
Art intellektueller Harmonie unter den Teilnehmern ein-
schliesst, welch letztere sich nur durch Gewöhnung an gemeinschaftliches
Experimentieren erwerben lässt.K —
Durch die dritte der obengenannten psychologischen
Absurditäten — die Ungereimtheiten der sich scheinbar
manifestierenden Persönlichkeiten, sollte man sich — so
führt R. weiterhin aus — ja nicht abhalten lassen, die
vielen wichtigen Tatsachen, die damit verknüpft sind, sorgfältig
zu untersuchen. Auf keinen Fall sollte das Absurde
einer Hypothese bewirken, dass man die Tatsachen, auf
denen sie beruht, leugnet. Für Ä. liegt die Sache so:
Haben wir es hier mit wirklichen Tatsachen zu tun oder
nicht? darauf kommt es allein an. „Bs gibt nichts Unlogischeres
" — so schreibt er — „nichts, was den elementarsten
Gesetzen der Logik mehr widerspricht, als wenn
wir ein Phänomen deshalb in Abrede stellen, weil uns die
darauf gebaute Hypothese anwahrscheinlich dünkt. Wenn
die Spirithypothese richtig ist, was wissen wir dann über
die Existenzbedingungen dieser Persönlichkeiten? Welchen
Einfluss mögen sie auf das Medium ausüben? Welchen
Einfluss mag das Medium auf sie ausüben? Wer darf sich
erdreisten, von einer „Psychologie der Spirits« zu reden?
Wer kann entscheiden, ob der oder jener von ihnen gebrauchte
Ausdruck absurd ist oder nicht? Bei der tiefen
Dunkelheit, die uns hier umgibt, ist wohl das beste, was
wir tun können, die Tatsachen zu registrieren,
ohne uns dabei anzumassen, eine allgemein anwendbare
Theorie aufstellen zu wollen." Hieran anknüpfend sieht
sich R. veranlasst, auf die Physik und Chemie hinzuweisen,
die seiner Anschauung nach keinerlei Grund haben, sich
über den Spiritismus wegen der Absurdität seiner Hypothesen
zu mokieren. Beruhen doch beide Wissenschaften
nach ß.'s Ansicht noch gegenwärtig auf Hypothesen,
die an Absurdheit nichts zu wünschen übrig lassen. Die
Physik auf der Hypothese des Aethers, d. h. einer unvorstellbaren
Materie, die weder Gewicht, noch ein chemisches
Substrat, d. h. keine Substanz besitzen soll; die Chemie
auf der Hypothese des Atoms, das einzeln unwägbar, in
der Vielheit aber wägbar sein soll. Ä. ist ferner der Ansicht
, dass einige der von dea Spiritisten behaupteten
Phänomene, die in besonders gelungenen Sitzungen aufgetreten
sein sollen, einen Grad von Absurdität besässen,
der geradezu aus Unerlaubte grenze, so z. B. wenn mate-
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