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Deinhard: Der V. Internationale Psychologen-Kongress in Rom. 401
kinematographisch; c) experimentell - neurologisch; d) mechanisch
registrierend. Mit den zuletzt erwähnten - von
Prof. Sommer besonders ausgebildeten — Methoden gelingt
es, den Ablauf von Ausdrucksbewegungen durch längere
Zeit lückenlos zu registrieren und zu messen. Dabei er-
geben sich Einblicke in das Verhältnis psychophysischer
Vorgänge zu den einfachen Reflexen, in die normale und
die pathologische Haltung, Ermüdung, Schreckwirkung,
Einfluss von Giften, besonders des Alkohols auf motorische
Funktionen, ferner die Aufmerksamkeit, geistige Ablenkung
und viele andere Vorgänge." Zur Erläuterung und als
Beweis für seine Ausführungen führte dann Sommer, ebenso
wie er dies zum ersten Mal auf dem Münchener Kongress
(1896) und dann 1900 auf dem Pariser Psychologen-Kongress
getan hatte,*) eine Anzahl von nach seinen Angaben
konstruierten Apparaten und den damit gewonnenen Kurven
vor und erntete damit den lebhaftesten Beifall der Fachgenossen
.
Den oratoriseh formvollendetsten Vortrag in diesen
allgemeinen Sitzungen hielt unstreitig Pierre Janet, Prof.
der Psychologie am Pariser Collöge de France, und zwar
über: die Schwankungen des geistigen Niveaus, 'wie sie ins-
besondere bei Hysterischen während des ganzen Lebens
beobachtet werden. Aber es wäre — betonte Janet — ein
Irrtum, wenn man glauben wollte, dass normale Individuen
von solchen Schwankungen gänzlich frei blieben. Bei den
Hysterischen treten sie nur deutlicher auf. Die grössten
Störungen sind bei diesen von einem starken Herabsinken
des geistigen Niveaus begleitet, das dann in Augenblicken
der Ruhe sich wieder auf die normale Höhe erhebt. Dies
Herabsinken des geistigen Niveaus besteht in einer starken
psychischen Depression, in dem Gefühl einer innerlichen
Verminderung, in Gedächtnisschwäche usw. Dabei schwindet
besonders das zuletzt Erfahrene gänzlich aus dem Gedächtnis
; die Gegenwart verliert für den Kranken alles Inter-
esse. Das erste Symptom dieses geistigen Schwächezustands
ist, dass der Kranke in phantastischer Weise sich mit fernliegenden
, nutzlosen Dingen befasst und dass ihm der Sinn
für die Gegenwart gänzlich schwindet.
Einen sehr interessanten Vortrag hielt in diesen allgemeinen
Sitzungen ferner Prof. Paul Sollier (Paris -Bou-
logne sur Seine) und zwar über: „das Bewusstsein und
*) VergL III. Internationaler Kongress für Psychologie in
München. Verlag von Lehmann, 1897, in München p. 383. Ebenso
IV. Congrfcs intern, de Psychologie, Paris, Felix Alcan, 1901 p. 427.
Psychische Studien. Juli 1905. 26
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