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v. Seeland: Die Logik der materialistischen Lehre etc. 415
negativ anregend, d. h, die für das Ganze notwendige Funktion
der Maschine ruft in diesem, sobald sie ausfällt,
ein Bedürfnis nach Wiederherstellung derselben hervor,
und infolgedessen wird die Maschine über lang oder kurz
reproduziert.
Dass sich nun auch im Eeiche des Lebendigen ähnliche
Erscheinungen beobachten lassen, d. h. gewisse Lebensformen
, die sich als Teile eines grossen Ganzen kundgeben
und nach ihrem Ausfallen eben dadurch das Ganze zu deren
Reproduktion reizen, — dafür lassen sich Tatsachen anführen
. Wir können zur Zeit nicht sagen, ob und wo daneben
auch gewisse in den eingegangenen Formteilen vorhanden
gewesene ,,Kräfte zweiter Hand" aktiv mitwirkten;
aber wenigstens jene durch die Bresche mittelbar hervorgerufene
Reproduktionskraft des Ganzen sind wir berechtigt
anzunehmen.
Zunächst müssen wir auf diesem Felde die Reproduktion
zerstörter Körperteile in betracht nehmen. Bei niederen
Tieren bezieht sie sich auf ganze wieder nachwachsende
Gliedmassen, ja Körperhälften. Bei höheren allerdings nur
auf Ergänzung gewisser Gewebeverluste, — wenn z. B. bei
Abszessbildung die in Eiter zerflossenen Gewebsteile später
infolge einer erhöhten Bildungstätigkeit der umgebenden
Gewebe regeneriert werden.
Zugleich ist hier zu beherzigen, dass es sich überhaupt
bei derartigen Vorgängen der Naturheilkraft keineswegs
bloss um örtliche Reizung handelt, sondern es beteiligen
sich daran entfernte Gebiete des Nerven- und Zirkulationssystems
, kurz es ist die G e s a m t k r a f t des Organismus
, welche dem beschädigten Teile Anweisungen erteilt
und dessen Geweben Veränderungen vorschreibt, die sonst
in ihnen nicht vorgekommen wären. So entstehen z. B. aus
Knochenzellen — Knorpelzellen, wenn dies durch besondere
Umstände erheischt wird; im Falle einer nicht eingerichteten
Luxation bildet z. B. die Darmbeinfläche, an die sich
der verrenkte Oberschenkelkopf legte, diesem eine neue,
von Knorpel überzogene Gelenksgrube, und durch diese,
allerdings notdürftige Anpassung wird dem beschädigten
Organismus ein besserer Zustand geschaffen, als
derjenige der frischen, nicht eingerichteten Verrenkung.
Es erzeugt also hier ein gewisser Teil des Ganzen Gebilde,
die ihm sonst fern geblieben wären, weil dasBedürf-
nis des Ganzen es erfordert.
Wenn nun auch, wie gesagt, der individuellen Reproduktionskraft
bei höheren Lebewesen engere Grenzen
gesteckt sind, so sehen wir dafür, dass hier nicht sowohl
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