http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1905/0450
434 Psyehische Studien. XXXII. Jahrg. 7. Heft, f Juli 1905.)
dedizierte, einen wie furchtbaren Schlag er damit demjenigen
System versetzte, zu dessen energischer Verteidigung
soeben die Gesellschaft Jesu gegründet und, wenn auch
zögernd, vom heiligen Vater bestätigt worden war. Die
ganze bisherige Welt- und Naturanschauung beruhte so
vollständig darauf, dass die Erde der Mittelpunkt, Zweck
und Ziel des Universums sei, dass mit der Aufhebung
dieses Axioms schlechthin alles über den Haufen zu fallen
drohte.
Allerdings ahnte die Kurie, trotzdem sie aus ihrer
früheren freigeistigen Toleranz durch die Stürme der Reformation
jäh aufgeschreckt worden war, die ungeheure
Tragweite des Köpernikanischen Systems ebenso wenig als
die grosse Masse der Gelehrten; dachte doch selbst ein
Tycho de Brahe ziemlich geringschätzig von der Hypothese,
welche den Kern desselben bildet, wenn er auch die Rechnungen
des Thorner Astronomen vollkommen würdigte.
Der erste, welcher die Konsequenzen des Kopernikani-
schen Gedankens begriff und zog, und denselben zum Ausgangspunkte
eines Systems machte, dessen rücksichtslose
Kühnheit der Statthalter Christi nur mit dem Scheiterhaufen
zu beantworten verstand, war Giordano Bt-uno. Seine
Hauptschrift führt den bezeichnenden Titel ^della causa,
principio ed uno"; in ganz origineller Weise sehen wir hier
die Metaphysik des Aristoteles, den materialistischen Pantheismus
der Stoiker und den Atomismus Epikurs in eins
gearbeitet. Als letzte Elemente alles Seins treten uns hier
statt der toten Atome Kraftzentra oder Monaden entgegen,
welche die Ursache nicht nur für die Bewegung, sondern
auch für alle anderen Veränderungen in sich selbst tragen.
Die Fruchtbarkeit dieser Annahme sollte sich erst enthüllen
, als dieselbe durch Leibniz eine genauere und schärfere
Fassung erhielt; ja man kann behaupten, dass dieselbe erst
in ganz neuer Zeit ihre volle Würdigung erfahren hat.
Tatsachen waren es, nach denen die sich aus dem Mittelalter
emporringende Generation dürstete, nicht Theoreme,
welche noch etwas den Beigeschmack von Scholastik hatten.
Von den verschiedensten Seiten her ertönte die Mahnung,
die Natur selbst zu befragen, ihr durch Beobachtung und
Experiment ihre Geheimnisse abzulauschen. Die grandiosen
Mittel, welche Tycho de Brahe, reichlich unterstützt durch
fürstliche Freigebigkeit, auf Beobachtungen verwandte, sind
recht bezeichnend für diesen Zug der Zeit.
Und es gelang wirklich auf diesem Wege, an einem
Punkte wenigstens den Schleier zu heben, der bisher die
Natur verhüllt hatte: man entdeckte die Gesetze der
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1905/0450