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v. Seeland: Die Logik der materialistischen Lehre etc. 477
Farne est absolument exempte de crainte et d'esperanee et
cependant est plein de vie et de chaleur. Rien dans la
natura ne peut troubler sa paix, rien ne lui est neeessaire
et il s'interesse vivement k tout ce qui est bon." Und
was am wunderbarsten erscheinen muss und dennoch wahr
ist —, es kommt unter solchen „Freidenkern" von jeher
vor, dass solche Gemüter selbst bis in die letzten Augenblicke
ihre edle Fassung behalten und ihrer negativistischen
Ueberzeugung im Angesicht des anderen so furchtbaren
Todes treu bleiben. Ja, es ist ein bloss naives Nachsingen,
wenn die Kirchlichgesinnten immer wieder versichern, die
Ungläubigen vermögen solches immer nur einstweilen zu
sein, sobald sie aber das Unglück bei der Kehle packe und
ganz besonders, wenn es ans Sterben gehe, da müssten
sich dieselben notwendigerweise „bekehren". Warum nicht
gar! Es gab und gibt Menschen, die selbst in der höchsten
Bedrängnis, selbst vor dem unvermeidlichen Tode stehend,
ohne jegliche Hoffnung auf ein Dereinst, das
Bild ihrer baldigen Verrichtung mit Ruhe und Standhaftig-
keit beschauen. Es ist allerdings leichter, unzweideutige
konkrete Beispiele dieser Art beizubringen, als die inneie
Möglichkeit solcher psychischer Verfassung so weit zu beleuchten
, dass das für die Menge schlechterdings Unbegreifliche
begreiflich wird; doch wollen wir uns im Folgenden
dieser Aufgabe unterziehen, die natürlicherweise nur diejenigen
interessieren kann, welche sich nicht mit oberflächlicher
Registrierung einer befremdenden Tatsache praktischer
Erfahrung begnügen, sondern nach deren Gründen,
bezw, Triebfedern zu forschen verlangen. Abgesehen von
so manchen Beispielen aus vergangenen Jahrhunderten
liegt wohl am nächsten das Beispiel der Nihilisten und
Anarchisten unserer Zeit, und wir können nicht umhin,
manchen solchen politischen Verbrecher hinsichtlich seiner
Todesverachtung zu bewundern. Denn wie verkehrt auch
immer ihre zum Teil geradezu hirnverbrannten Theorien, wie
verblendet und kurzsichtig sie in ihrem oft ganz unüberlegten
Handeln sein mögen, die Ruhe und Würde, mit der
die meisten dieser Ungläubigen ihren letzten Leidensbecher
trinken, stellt sie sowohl an Ueberzeugungstreue, als Seelenstärke
vielfach noch über die nicht umsonst bewunderten
christlichen Märtyrer, eben weil diese fest an eine persön«
liehe Entschädigung für ihr heldenmütiges Opfer in
einem besseren Jenseits glaubten. Auch die französische
Revolution zeigt uns ebenbürtige Figuren. So predigte
Cloofz noch auf dem Wege zur Guillotine seinem Freunde
Hebert materialistische Theorien.
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