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496 Psychische Studien. XXXII. Jahrg. 8. Heft. (August 1905.)
Schwierigkeit eines absoluten Anfangs der Bewegung ist
beseitigt.
Nur zwei Punkte bleiben hierbei unklar: erstens
der Uebergang von den ausdehnungslosen, immateriellen
Monaden zu räumlichen Verhältnissen und zu Bewegungen,
und zweitens, wie dis von Leibniz behauptete Prinzip
von Aktion und Reaktion zu vereinigen sei mit seiner
sonstigen Annahme, dass die Monaden keine Einwirkung
auf einander üben könnten.
Raum und Bewegung und darum auch die Zeit muss
Leibniz konsequenter Weise für blosse Vorstellungsbilder
erklären; das Tatsächliche, was denselben entspricht, ist
die Ordnung, in welcher die Monaden sich befinden. —
Leider drehen wir uns hier einfach im Zirkel; denn was
ist eine Ordnung ohne Raum und Zeit? Leibniz steckt hier
noch mit einem Fusse in der Scholastik, deren Lieblingstätigkeit
das Abstrahieren war. Man abstrahierte darauf
los, unbekümmert darum, ob schliesslich ausser dem Worte
noch irgend etwas übrig blieb; und selbst die Eventualität,
das Wort mit dahin fahren zu sehen, schreckte einen
sattelfesten Scholastiker nur mässig; er abstrahierte auch
von dem Wort und bildete für diese Abstraktion ein neues
Wort. Durch diese Schule war Leibniz nicht ganz ohne
Gefährdung gegangen. Hätte er hundert Jahre später
gelebt, so würde ihn wohl die Kanfsehe Warnungstafel:
„Begriffe ohne Anschauung sind leer" stutzig gemacht
haben.
Besser scheint sich die zweite der oben berührten
Schwierigkeiten aus den Voraussetzungen des ZeiftniVschen
Systems zu erledigen. Auch Aktion und Reaktion sind nur
ein Vorsteliungsbild. Allerdings besteht eine vollkommene
Gesetzmässigkeit in den Beziehungen zwischen den einzelnen
Monaden, diese Gesetzmässigkeit ist aber nicht diejenige von
Ursache und Wirkung, sondern die einer prästabiüerten
Harmonie. In diesem Falle wäre nur der Ausdruck
„Aktion und Reaktion" nicht zutreffend, die Sache selbst
bliebe vollkommen bestehen. Dagegen könnte man wenig
sagen, wenn sich nur dabei auch etwas Klares denken
Hesse. Allein wir haben hier nur ein Bild aus der Aesthe-
tik mit all der Unbestimmtheit, welche dergleichen Bildern
eigen zu sein pflegt. Fragen wir Leibniz, wie diese Harmonie
erkennbar wird, so kommen wir doch wieder auf Ursache
und Wirkung zurück. Ueberall liegt seinen Ausführungen
die stillschweigende Voraussetzung zu Grunde:
„als wenn die Vorgänge sich entsprächen wie Ursache und
Wirkung", dieses ist das einzige Mass für die Harmonie,
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