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Maier: Der Fortschritt und die gegenwärtige Lage des Spiritismus. 541
Der Fortschritt und die gegenwärtige Lage
des Spiritismus.
Eede zur Eröffnung des Spiritistenkongresses
zu Lüttich am 11. Juni 1905 von Leon Denis,
Uebersetzt vom Red. Dr. Fr« Maler.
Nach Begrü8sung der Anwesenden und Danksagung
für die ihm und dem spiritistischen Schriftsteller G. Delanne
(Paris) erwiesene Ehrung betonte der berühmte Festredner
aus Tours*) zunächst die seit seinem ersten Vortrag i. J.
1889 in Liege mit den belgischen „Brüdern und Schwestern
im Glauben41 unterhaltenen innigen Freundschaftsbeziehungen
und fuhr dann fort: „Heute können wir den von uns zurückgelegten
Weg und die erzielten Fortschritte überschauen.
Wir dürfen mit berechtigter Genugtuung sagen, dass unsere
gemeinsamen Bestrebungen nicht umsonst gewesen sind,
dass der in die Furchen ausgestreute Samen aufgegangen
ist, dass die Saat weitersprosst und dass sich viele Intelligenzen
in diesem Land 7on der Schönheit, der Wahrheit
und der Grösse der von uns verteidigten Ideen allmählich
durchdringen, überzeugen und gewinnen lassen. Und so
ist es jetzt so ziemlich überall.
Bei meinen zahlreichen Vortragsreisen nach allen
Richtungen (in den Ländern romanischer Zunge), bei
meinem Aufenthalt in den verschiedensten Umgebungen
konnte ich die merkbaren und beständigen Fortschritte der
spiritistischen Idee in der öffentlichen Meinung mit Freuden
konstatieren. Es weht ein uns günstiger Wind und wir
können behaupten, dass der uns heiligen Sache eine grosse
und herrliche Zukunft winkt. Ueberall beginnt man das
Leere, das Nichtige, das Verzweiflungsvolle der materialistischen
Weltanschauung und die für die soziale Ordnung
verhängnisvollen Konsequenzen ihrer Theorien zu empfinden.
Ueberall spürt man aber auch andererseits schon längst in
gleich hohem Grade das Ungenügende, das Haltlose der
dogmatischen Kirchenlehren und ihre Unmacht, das Wesen
des Menschen und seine Bestimmung auf wissenschaftlicher
Grundlage zu erklären. Ueberall begegnet man Volksmassen
, die begierig sind, etwas zu erfahren und zu lernen, die
nach Wissen, nach Trost und nach einer Hoffnung lechzen,
Arbeitermassen, die uns gerne entgegenkommen und denen
wir entgegengehen sollten.
*) VergL «Psych. Stud." 1903, S. 687 Fussnote. — 1t e d.
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