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Maier: Der Fortschritt und die gegenwärtige Lage des Spiritismus. 545
gestellten Tatsachen haben von Anfang an eine Hauptsache
bewiesen: die Möglichkeit einer unbestimmbaren
Auflösung der Materie, die von
der Schulwissenschaft damals nicht zugegeben wurde und
die heute dieselbe Wissenschaft nach den Arbeiten der
genannten Koryphäen notgedrungen einräumen muss. Die
praktischen Spiritisten wissen also empirisch schon seit
mehr als 50 Jahren, was die Theoretiker der Wissenschaft
erst jetzt entdeckt haben wollen.
Und was sind die Folgen? Offenbar eine tiefgehende
Modifikation der schon als feststehend betrachteten Theorien
über die Naturkräfte und über die Materie. Vor allem
stürzt das klassische Dogma vom unteilbaren Atom und
damit die Basis der ganzen materialistischen Schulwissenschaft
in sich zusammen. Letztere befindet sich jetzt in
völliger Verwirrung. Man höre die folgende Erkläruug des
Präsidenten des letzten „Congr&s pour l'avaneement des
Sciences" (Grenoble 49(H), M. Laisant, vormaligen Deputierten
des Seine-Departement, den ich persönlich als Schüler
und treuen Anhänger von Auguste Comte kenne, also eines
„Positivisten1*, jetzigen Professors der Mathematik an der
„Ecole polytechniqueIn seiner damaligen Eröffnungsrede
sagte er wörtlich: „Wir lebten seit unserer Kindheit in
einem ruhigen Leben der Wissenschaft dahin, zufrieden mit
unseren erlernten Theorien, wie mit einem alten, nur wenig
verfallenen, aber nicht baufälligen Haus, an dem man aus
Gewohnheit hängt, das man liebt; und gerne bewohnt. Und
jetzt kommt plötzlich ein Orkan in Gestalt neuer Tatsachen,
die mit den angenommenen Theorien unvereinbar sind. Die
stützenden Hypothesen stürzen eine um die andere ein, das
Haus wankt und wir stehen völlig fassungslos und bekümmert
da in der Erwartung neuer Windstösse und nicht
wissend, was wir gegenüber solchen Ueberraschungen tun
sollen/4 Welches Geständnis der Ohnmacht und der wissenschaftlichen
Unfruchtbarkeit! (Beifallsrufe.)
Man erkennt also bei näherem Studium des Ganges
der spiritistischen Bewegung das Eine: dass sich die Schulwissenschaft
trotz ihres anfänglichen Zögerns, trotz ihres
grundsätzlichen Widerstrebens allmählich von einem Rastplatz
zum andern stufenweise selbst den spiritistischen Anschauungen
nähert. In der Physik und der Chemie erkennt
sie jetzt das Vorhandensein einer feinsten
strahlenden Materie und die radioaktiven Kräfte
an, welche eben die Grundlage, das Substrat und die Manifestationsart
der unsichtbaren Welt sind. Und speziell in
der [besonders rückständigen] Psychologie musste sie den
Psychisch© Studien. September 1906. 35
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