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Kniepf: Astrologische Physik und Verwandtes. 593
eines Ferkels mit acht Füssen und zwei Schwänzen, das
der Mann in Salzwasser konserviert hatte, prophezeit der
Astrolog Nirgal - itir, dass der Kronprinz des Landes sehr
an Macht gewinnen würde. Eine wahrhaft glückliche Geburt
für die Dynastie, den Astrologen und den Böttcher
Uddanul Hier ist uns die chaldäische Astrologie entschieden
überlegen. Die erste Mondsichel wurde aufmerksam
observiert, wie und wo sie erschien, ebenso Neu- und
Vollmond. Westwind bei neuem Mond sollte Krankheiten
bringen.*)
Aber worauf es hier ankommt, dass die Alten den Planeten
die gleichen Eigenschaften zuschrieben wie wir, das
ergibt sich schon ans der gesamten Mythologie des Altertums
, die auch nach ihren eigenen Anführungen, wenn wir
es nicht oben gesehen hätten, ganz auf Astrologie beruhte.
In den Anzeigen der Gestirne sah man nur das Wirken
der Gottheit, bezw. einer in Vielheiten der Wirkungen
(Götter) sich offenbarenden Schicksalsgewalt. Dies erhellt
auch aus einem Briefe des Porphyrius an Anebo aus Jam-
blichus „Mysterien der Aegypter44, der die Anschauung des
gelehrten ägyptischen Priesters Chäremon zitiert, wie ich
aus Dr. Max Uhlemann „Die Astronomie und Astrologie
der Alten, insbesondere der Aegypter", Leipzig 1857, entnehme
: „Chäremon und viele andere erkennen nichts von
dieser sichtbaren Welt an und kennen keine anderen
Götter als die sogenannten Planeten, Tierzeichen, Gestirne
(= Sternbilder) und Abschnitte der Dekane. Denn er sab,
dass diejenigen, welche die Sonne als den Baumeister der
Welt erklärten, nicht nur das, was Isis und Osiris angeht,
sondern auch alle heiligen Fabeln teils auf die Sterne und
ihre Beziehungen, Begegnungen, Bedeckungen, teils auf das
Zu- und Abnehmen des Mondes, teils auf den Sonnenlauf,
auf Nacht und Tag, oder auf den Nil: Kurz alles auf
die Natur, nichts auf körperlose, lebendige
Wesen bezogen." Also reine Wissenschaft und Naturreligion
für die Wissenden, die übrigens damals so zahlreich
waren wie heute. Man hat sich lange genug über die Alten
geirrt! Am Tempel zu Edfu sind neuerdings die Blitzableiter
-Rinnen gefunden worden, die laut Inschrift mit
Kupferplatten belegt waren und von der Höhe der beiden
Eingangstürme in die Erde führten. Sie reichten „bis in
die Himmelshöhe" und dienten dazu, „das Ungewitter ab-
*) Um aach das Alter dieser Aufzeichnungen zu bestimmen,
so war die Glanzzeit Elams ca. 1600—1550 vor Chr. (nach Floigl
„Gesch. des semitischen Altertums").
Psychische Studien. Oktober 1905. 38
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