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Karze Notizen.
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c) Warum schläft der Mensch? Die meisten
Menschen würden auf die Frage, warum sie schlafen gehen,
die Antwort geben, weil sie müde seien. Dabei ist aber
die Tatsache nicht berücksichtigt, dass man zuweilen auch
im Zustand der höchsten Ermüdung keinen Schlaf findet.
Ueber das Wesen des Schlafs kann man sich besser
unterrichten durch ein Werk von Professor Claparede aus
Genf, das die psychophysischen Ursachen des Schlafs behandelt
. Zunächst wird dort darauf hingewiesen, dass die
bisherigen Anschauungen über die Ursachen des Schlafs
ungenügend sind, weil sie auf unzulänglicher experimenteller
Untersuchung beruhen. Die bekanntesten Theorien erklären
den Schlaf durch Blutleere des Gehirns, durch Aufhören
der auf die Nerven anreizend wirkenden Eindrücke, durch
vorübergehende Lähmung des Gehirns infolge eines stärkeren
Sauerstoffverbrauchs während der Nacht, durch Bewegungen
der rätselhaften, als Neuronen bezeichneten Elemente
unseres Nervensystems usw. Keine dieser Deutungen hält
einer scharfen Prüfung stand, weil der Schlaf auch dann
eintreten kann, wenn keine dieser Ursachen erkennbar ist.
Wie sollte z. B. jemand bei einer Eisenba «nfahrt schlafen
können, wenn das Fehlen nervenerregender Eindrücke eine
unerlässliche Bedingung wäre! Prof. Claparede hält den
Schlaf - für eine positive und fast aktive Tätigkeit
des Körpers und nicht für ein passives Ergebnis. Man
kann schlafen, ohne ermüdet zu sein, und man kann der
Müdigkeit und sogar einer wirklichen Erschöpfung zum
Trotz sich wach erhalten. Im allgemeinen könnte man sogar
sagen, dass der Schlaf der Erschöpfung vorausgeht und
ihr vorbeugt. Man kann ein anschauliches Beispiel dafür
in den Gewohnheiten der Hunde finden, die immer schlafen,
wenn sie nichts besseres zu tun haben; sie schlafen ge-
wissermassen auf Vorrat, um sich vor üblen Polgen einer
späteren Anstrengung zu schützen. Auch der Mensch
schlält wahrscheinlich aus derartiger Vorsicht, indem er
dadurch vor dem Versagen seiner Kräfte bewahrt bleibt.
Mit wissenschaftlichen Worten nennt Claparede den Schlaf
einen Instinkt, eine zusammengesetzte ßeflexwirkung
und eine Tätigkeit, die über den Grad hinausgeht, der dem
dafür gegebenen Anreiz entsprechen würde. (^Mussestunden",
U.-B. des Leipz. Tageblattes, Nr. 40 vom 5. Sept. er.)
d) Hypnose und Suggestion. Der Unterschied
zwischen Hypnose und Suggestion ist schwer genau zu
ziehen. Der Begriff der Suggestion lässt sich am besten
mit „Willensunterschiebunga übersetzen, wie sie in der
Hypnose geschieht, jedoch auch alltäglich in wachem Zu*
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