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Reichel: Kreuz and Quer durch die Welt,
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haben, von wo sie sich zu den Anwesenden selbst begeben
würden. Und so war es auch! Kaum waren 4 Minuten
vergangen, als sich der Vorhang ganz öffnete und man Mr.
Miller schlafend und neben ihm sechs voll ausgebildete
Phantome in weissen Gewändern hell und klar sehen
konnte, die sich alle die Hände reichten. Nach und nach
kamen nun die einzelnen Phantome aus dem Kabinett heraus
, gingen zu den Anwesenden hin und unterhielten sich
lebhaft mit ihnen; zwei sprachen deutsch. Wie ich später
hörte, waren es Deutsche, mit denen sie sich unterhielten.
Plötzlich hörte ich deutlich, laut und klar einen Namen,
den ich sehr genau kenne, von einem Phantom, das mich
sprechen wollte. Genug — es sind Privatsachen, über die
ich schweigen muss.*) Ein anderes Püantom trat dicht an
mich heran, verbeugte sich und ich erkannte es; — sein
Name, den es dann nannte, stimmte. Fast in demselben
Augenblick, als sich das letzte Phantom aus unserem Kreise
zurückzog, kam auch schon Mr. Miller aus dem Kabinett
heraus. Licht war genügend während der ganzen Sitzung.
Hochinteressant war auch folgendes Phänomen. Eine weisse
Kugel wie aus Musselin schwebte kurze Zeit vor dem Vorhang
, senkte sich dann vor aller Augen und in kaum zwei
Minuten baute sich aus dieser eine neue Geistergestalt
auf.**)
töie Dematerialisationen geschehen meistens sichtbar
vor dem Vorhang. Ich kann nur sagen: — ich habe viel
gesehen seit langen Jahren, aber so etwas noch nicht, und
bedaure nur, dass Deutschland ein solches Medium nicht
besitzt. Leider musste ich abreisen, aber ich hoffte in nicht
zu ferner Zeit Mr. Miller wieder zu sehen. Im Aprilheft
der „Psych. Stud." von 1903 (S. 243) las ich nachträglich
eine Notiz über Mr. Miller; in dieser Fassung hat allerdings
Prof. Maier mit seiner Fussnote recht. Gefesselt
wurde Miller damals nicht und ich bin gleicher Ansicht, wie
R. Seilhel sen. („Psych. Stud." 1900, S. 578), dass eine
*) Sehr schade I — Auch vermissen wir die in den amerikanischen
Berichten fast immer fehlende, aber für eine wissenschaftliche
Beurteilung unerlässliche nähere Angabe über Aussehen und Beschaffenheit
der angeblichen Phantome in allen ihren Einzelheiten.
— Red.
**) Ueber dasselbe Phänomen, nur mit längerer Zeitdauer der
Entwickelung, berichtet Mme. d'Esptrance in ihrem Werke: „Im
Reich der Schatten" (Berlin, Karl Sieqismund, 1901) S. 201. Vergl.
auch „Uebersinnliche Welt" (Berlin, Max Rahn, 1900) S. 67; ferner
Alfred Rüssel Wallace: „Eine Verteidigung des modernen Spiritualismus
" (Leipzig, O. Mutze, 1875) S. 28 und Mary Kar ad ja \ „Spiritistische
Phänomene* (Leipzig, M. Spohr) S. 15 ff.
Psychische Studien. November 1905. 42
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