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682 Psychische Studien. XXXII. Jahrg. 11. Heft. (November 1905.
Kurze Notizen»
a) Nehon-Erinnerungen. Der 13. September
1805 war der letzte Tag, den Nelson in London verlebte, und
dieser Tag ist durch zwei bemerkenswerte Ereignisse bekannt
geworden. Zunächst war es der Tag, an dem Nelson
zum ersten und letzten Male den späteren Herzog
von Wellington, den damaligen Sir Arthur Wellesley, traf und
sprach, und dann war es der Tag, an dem der Seeheld
seinem Sarge einen Besuch abstattete in
dem dunklen Empfinden, dass die Zeit
seines Todes nicht mehr fern sei. Wellington
selbst hat über sein Zusammentreffen mit Nelson wie folgt
berichtet: „Es war bald nach meiner Rückkehr aus Indien.
Ich ging nach dem Kolonialamt in Downing-Street, wo man
mich in ein kleines Wartezimmer wies. Dort fand ich einen
Herrn, der ebenfails wartete, um den Staatssekretär zu
sehen. Aus der Aehnlichkeit mit den Bildern und aus dem
Fehlen eines Armes erkannte ich sofort, dass ich Lord
Nelson vor mir hatte. Er konnte nicht wissen, wer ich war,
begann aber alsbald eine Unterhaltung mit mir. Ich vermute
, dass er aus einer meiner Aeusserungen entnahm, dass
ich Jemand sei". Jedenfalls verliess er das Zimmer, und
ich zweifle nicht daran, dass er dies tat, um den Portier zu
fragen, wer ich sei. Nach seiner Rückkehr war er nämlich
ein ganz anderer Mann in seinem ganzen Verhalten. Er
sprach über den Zustand des Landes, über die Aussichten
und Wahrscheinlichkeiten auf dem Kontinent, und verriet
dabei eine genaue Kenntnis der Verhältnisse in der Heimat
und im Auslande, die mich noch mehr überraschte und erfreute
, als der erste Teil unseres Gesprächs dies getan
hatte. iSr sprach in der Tat wie ein Offizier und ein
Staatsmann. Der Staatssekretär liess uns lange warten,
und ich entsinne mich nicht, jemals für XL oder 3U Stunden
eine mich mehr interessierende Unterhaltung gehabt zu
haben.44 Wie Nelson dazu kam, seinen Sarg zu besuchen,
lässt sich aus seiner Todesahnung erklären. Der Welt
gegenüber zeigte sich der Admiral ruhig und heiter, aber
seinen Verwandten gegenüber machte er von seinen Todesahnungen
kein Hehl. Die Todesgedanken waren im Juni
des Jahres 1805 zum ersten Mal aufgetaucht, während er
in Westindien französische Schiffe jagte. Er schrieb damals
seinem Bruder, dass er davon "überzeugt sei, dass er
das nächste Mal, wenn es zwischen ihm und den Franzosen
zum Zusammenstoss kommen würde, mit seinem Leben zu
bezahlen haben werde. Am 9. September schrieb er an die
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