http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1905/0757
Maler: Die Frauenfrage auf wissenschaftlicher Grundlage. 737
unergründliche Grösse sei, als dass man die Physiologie und
die Psychologie zu Rate zieht* Dieser Unklarheit und Zerfahrenheit
gegenüber ist es lebhaft zu begrüssen, dass der
Prager Universitätsprofessor Dr. med- Ludwig Knapp in
einer „Zur Frauenfrage*' betitelten Broschüre, die der
deutsche Verein zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse
in Prag in seinem Verlage herausgegeben hat, diese Frage
auf Grund physiologischer und psychologischer Untersuchungen
in gemeinverständlicher Form bespricht. Nach
seinen Darlegungen sind Mann und Weib in ihrer natürlichen
Bestimmung der Arbeitsteilung mit verschiedenen
Eigenschaften und Fähigkeiten ausgerüstet. Diesem Naturgesetze
wird das Weib sich auch in Zukunft zu fügen
haben. Der Körperbau des Weibes ist derart, dass es zu
grösseren körperlichen Arbeiten nicht geeignet und nicht
bestimmt ist* Das weibliche Gehirn ist an Masse und Gewicht
kleiner als das männliche; doch darf man aus diesem
Mindermasse nicht ohne weiteres auch ein solches in geistiger
Hinsicht ableiten. „Sind doch auch unter den Männern
nicht immer jene die Gescheitesten, die die grössten Köpfe
tragen." Für Sinnes- und Gemütseindrücke ist das Weib
im allgemeinen empfänglicher als der Mann; auch hat es
mehr unter Affekten zu leiden. Merkwürdig ist, dass
Frauen, die von schweren körperlichen Leiden befallen sind,
gerade am besten Fassung und Geduld beweisen, während
andere bei leichteren Erkrankungen häufig über unerträgliche
Zustände klagen. In der weiblichen Natur liegt eine
Disposition zu jenen Nervenleiden, für welche Willensschwäche
charakteristisch ist. Der Suggestion und Hypnose
sind Frauen im allgemeinen leicht zugänglich. Geisteskrankheiten
sind trotz der vielen begünstigenden Ursachen
solcher bei Männern doch bei dem weiblichen Geschlechte
häufiger, Selbstmord kommt bei Frauen weit weniger vor
als bei Männern, was auf die stärkere Resignationsfähigkeit
und die Beherrschung des momentanen Affektes durch
religiös - ethische Motive zurückzuführen ist. Was die intellektuelle
Disposition des Weibes im Vergleich mit jener
des Mannes betrifft, so ist beim Weibe das Rezeptionsver-
mögen stärker als die Intelligenz. Seine Vernunft ist, wie
schon Rousseau gesagt hat, eine praktische, während ihm
die Kraft des logischen Denkens völlig abgeht. Demgemäss
hat es auch sehr wenig wissenschaftliches Interesse.
(? _ Red.) Man sollte, überall da, wo über die Frauentrage
verhandelt wird, beachten, was Burdach schreibt:
„Nie findet sich im weiblichen Geschlechte Originalität
des Geistes oder wahre Genialität als die eigentlich
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1905/0757