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744 Psychische Studien. XXXII. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1905.)
karten dient das Phonopostal, ein Apparat, der die menschliche
Stimme auf ein Stück Pappe aufzeichnet, das in der
Form einer Postkarte gleicht. Schon Jules Verne fasste die
Idee, den alten Wachszylinder der Phonographen durch ein
Blatt Papier zu ersetzen, das dann wie ein Brief verschickt
werden könnte. Jetzt würde also auch diese Phantasie des
einbildungsreichen Franzosen, wie schon so manche andere,
in gewissem Grade ihre Verwirklichung gefunden haben.
Nach einem Bericht von „English Mechanic11 gewährt das
Phonopostal zahlreiche Vorteile. Die Aufzeichnungen werden
durch einen gewöhnlichen Phonographen von möglichst
einfacher Art mittels eines Griffels mit einer Saphirspitze
gemacht. Diese Spitze macht ihre Eindrücke in eine geeignete
Substanz, die auf die Oberfläche der Karte aufgestrichen
ist und den Namen Sonorin führt. In der Entdeckung
dieses Stoffes, der leicht auf einem Blatt Karton
ausgebreitet werden kann und alle Eigenschaften eines
Wachszylinders besitzt, beruht das eigentliche Verdienst
der Erfindung. Dazu kommt die freilich ebenso wichtige
Erfüllung der Bedingung, dass das Sonorin die Behandlung
und den Transport durch die Post verträgt, ohne dass es
zerdrückt oder die darauf eingegrabenen Zeichen verwischt
werden. Die Zeichen werden nämlich in Form einer Spirale
eingeschrieben, die am Aussenrande der Karte beginnt
und dann in immer enger werdenden Krümmungen zu einem
Kreis ausläuft, der kaum noch den Durchmesser eines Fünfpfennigstückes
besitzt. Die Zeichen sind so tief eingegraben
, dass beim Stempeln der Postkarte höchstens zwei
oder drei Silben verloren gehen können. Eine Phonokarte
hat Platz für 75 oder 80 Worte. Man scheint mit der neuen
Erfindung der illustrierten Postkarte Konkurrenz machen
zu wollen; auch wird zur Empfehlung hervorgehoben, dass
man auf der Phonokarte weit vertraulicher sein kann, als
auf einer gewöhnlichen Postkarte.
e) Ein heiteres Vorkommnis, das zur Warnung
vor spiritistischer Leiöhtgläubigkeit dienen kann,
spielte sich (laut „Tüb. Tagblatt" vom 6. Nov. er.) letzthin
in dem schwäbischen Landstädtchen Calw in einem Hause
ab, dessen Bewohner nachts durch ein eigentümliches
Pfeifen und Heulen im Schlaf gestört wurden. Alle Bemühungen
, die Ursache zu entdecken, blieben fruchtlos;
schliesslich glaubte man, es müsse ein Geist sein Wesen im
Hause treiben. Zur Bannung desselben wurden einige
Männer verschrieben, die durch Gebet helfen sollten; auch
der Geistliche wurde ins Vertrauen gezogen — alles umsonst
! In grös8ter Angst wollten die Bewohner das Schlaf-
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