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748 Psychische Studien. XXXII. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1905.)
schwachen Willen und gibt dem Kranken das verlorene
Selbstvertrauen wieder. Ein anderer Patient leidet an
Platzfurcht; auch ist er tiberzeugt, dass er nicht imstande
sei, eine Kirche oder ein Theater zu betreten. Der Arzt
aber beweist ihm, dass er das alles kann, wenn er nur
will, und nun kann er es wirklich. Ein nicht zu unterschätzendes
Heilmittel ist auch die Ablenkung und
Zerstreuung. Nach Liibeault befreite sich Pascal von
einem heftigen Zahnschmerz, indem er schwierige arith-
methische Probleme zu lösen begann; auch Kant, der oft
an Herzklopfen und Beklemmungen litt, kurierte sich, indem
er durch angestrengte Kopfarbeit seine Aufmerksam
keit von dem körperlichen Leiden abzulenken suchte.
Padisleau Hess nur dadurch, dass er die Zeiger der Uhr
weiterrückte, bei einer Frau ein eingebildetes Fieber verschwinden
, dessen Anfälle sich stets um 4 Uhr nachmittags
einzustellen pflegten. Back Tuke (von dem das Wort
,.Psychotherapie" stammt) erzählt, dass er, als er sich einmal
einen Zahn ziehen lassen musste, nicht den geringsten
Schmerz verspürte, weil er sich während der Operation
lustige Szenen vorzustellen suchte. Ueber die Heilung
durch Suggestion braucht wohl kaum etwas gesagt zu
werden, da derartige Fälle oft besprochen worden sind.
Daher nur ein Beispiel: Eine hysterische Person hat eine
Lähmung des Armes; der Arzt schläfert die Patientin ein
und suggeriert ihr in der Hypnose, dass sie den Arm bewegen
kann und dass sie von nun an nie mehr Lähmungs-
empfindungen haben whd. Und so ist es in der Tat. Nun
noch etwas über die Heilung durch Erziehung. Ein
Knabe hat schlechte Eigenschaften; er ist boshaft und faul.
Der Lehrer, der Pfarrer, der Arzt (manchmal alle drei)
suchen seinen moralischen Sinn zu entwickeln, zeigen ihm
das hohe Ziel, das man im Leben zu erreichen suchen
muss, stärken seine höheren psychischen Fähigkeiten und
machen schliesslich aus ihm einen wohlerzogenen jungen
Mann. Ein Trunkenbold oder ein Morphinist wird durch
einen klugen und intelligenten Eatgeber gebessert; der
Warner sucht ihm nach und nach die Gefahren, die seine
lasterhafte Angewohnheit mit sich bringt, begreiflich zu
machen, und zeigt ihm, wie viel Schönes er noch vollbringen
kann, wenn er sich bessert. („Mussestunden", U. - B. des
„Leipz. TagebL" Nr. 101 vom 5. XI. 05. — Vergl. Seilirtg,
„Zur Frage der psychischen Heilweise" im Nov. - Heft er.
S. 666 ff. — Red.]
k) Von einem angeblich durch Geister
diktierten Drama berichtet die uns von Herrn F.
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