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Literaturbericht.
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die Beachtung weitester Kreise. Sein Büchlein gibt einen Ueber-
blick über den heutigen Stand der besonders für Okkultisten interessanten
physiognomischen Forschung, verbunden mit wertvollen
Ratschlägen für Eltern und Erzieher, sowie für sonstige Fälle des
menschlichen Lebens, wo das Studium der Licht- und Schattenseiten
im Charakter anderer Menschen, mit denen man in nähere Beziehung
treten will, von Wichtigkeit erscheint. Fritz Ercimar.
Das Kreuz am Ferner. Hypnotisch-spiritistischer Roman von Karl
da Prel Dritte Auflage. Stuttgart u. Berlin 1905. (/. G. Cb#«'sche
Buchhandlung Nachfolger.) 547 S. Geh. M. 5.—, Lnbd. M. 6.—.
Es gibt wohl in der ganzen okkultistischen Literatur kein Buch,
dem eine solche Bedeutung sowohl für die Propaganda, als hinsichtlich
der Bahn Weisung für die Forschung zukäme, wie unseres Meisters
du Prel klassischem Roman, in welchem neben der philosophischen
Tiefe des Denkers und der erstaunlichen Belesenheit des Bibliophilen
zugleich die vollendete Kunst des schlichten Erzählers und
die überlegene Virtuosität des geschmackvollen Stilisten gleich sehr
zu Tage tritt, so dass gerade dieses Buch des Verewigten bereits
zum dauernden Be&iUstand der besten Erzeugnisse deutschen Schrifttums
gerechnet werden darf. Manchem von uns selbst hat ohne
Zweifel, wie dem Unterzeichneten, das „Kreuz am Ferner* den ersten
Antrieb gegeben, sich mit den seinen sonstigen Studien und Bestrebungen
ziemlich fern liegenden Problemen der Metapsychik näher
zu befassen. Den Inhalt dieser in der erhabenen Gletscherwelt der
Heimat des Dichters spielenden Erzählung dürfen wir wohl bei der
grossen Mehrzahl unserer Leser als bekannt voraussetzen, und möchten
ihn den übrigen hier nicht verraten, um ihnen nicht den Genuss
eigenen Studiums des herrlichen Buches zu schmälern. Aber des
Verfassers schönes Vorwort möge solchen, die es etwa noch nicht
kennen oder vergessen haben sollten, zeigen, was er selbst damit
wollte: „Die im vorliegenden Buche geschilderte merkwürdige Welt
dürfte manchem Leser noch gänzlich unbekannt sein, und das könnte
ihn verleiten, gerade diejenigen Teile meiner Erzählung für reine
Produkte meiner Phantasie zu halten, die es am allerwenigsten sind.
Weil ich nun aber den Leser nicht nur unterhalten, sondern auch
unterrichten will, muss ich meinem Buche die Erklärung voraussenden
, dass ich von der dichterischen Freiheit gerade dort den
geringsten Gebrauch gemacht habe, wo man es recht eigentlich vermuten
könnte. Ich kenne die von mir geschilderte Welt aus eigener
Erfahrung und habe sie im Wesentlichen so dargestellt, wie ich sie
kennen gelernt habe, mag sich auch das, was ich erzähle, nie und
nirgends so begeben haben, wie ich es erzähle. Sollte diese meine
Erkläruug dem einen oder andern Leser den Drang nach weiterer
Belehrung erwecken, so werden ihm die am Schlüsse beigegebenen
Anmerkungen willkommen sein. Vielleicht wird er alsdann mit
zagenden Schritten das Gebiet betreten; das vor ihm auf getan wird;
aber einmal darin heimisch geworden, wird er sich in ganz ungeahnter
Weise belohnt finden So ist es mir ergangen und darum wünsche
ich das gleiche Schicksal auch dem freundlichen Leser." — Der
von der berühmten Verlagshandlung soeben in bekannter hübscher
Ausstattung ausgegebenen dritten Auflage wünschen wir hiermit
Glück auf den Weg, vor allem recht viele selbständig denkende
Leser und Leserinnen, aus welchen dann sicherlich ebenso viele
begeibterte Anhänger unserer heiligen Sache werden. Wer das Buch
schon kennt, möge es als willkommene Gabe auf den Weihnachtstisch
von Angehörigen und seelenverwandten Bekannten legen.
Fritz Freimar.
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