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18 Psychische Studien. XXXIII. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1906.)
ungefähr 12 Sitzungen mit ihm abhielt. Die Phänomene
waren fast die gleichen bis auf einen Fall, der mein leb*
haftes Interesse erregte. Vorweg möchte ich noch erwähnen
, dass die Spirits, die in seinem Zirkel als „hohe"
bezeichnet werden, die Lehre von der Palingenesie oder
ReInkarnation vertreten, nicht im Sinne der esoterischen
Lehre des Buddhismus, aber im Sinne Allan
Kardec's. Ich will hier nicht die vielumstrittene Frage der
Wiederverkörperung unter dem Gesichtspunkt ihres inneren
Wertes berühren — sie klingt ja an sich sehr plausibel; —
aber man darf nicht übersehen, dass Miller Franzose ist,
dass die Medien erfahrungsmässig sehr leicht der „Psychologisierung
" für vorgefasste Ideen zugänglich sind und
dass das okkultistische Frankreich wohl zum grössten Teil
die ReXnkarnationstheorie Kardec's vertritt. —
Staatsrat Akmkow hat bekanntlich für Materialisationen
folgendes Schema aufgestellt: „Die sichtbare und vollständige
Materialisation einer ganzen menschlichen Gestalt
entspricht einer vollständigen oder maximalen Demateriali-
sation des Mediums bis zu dem Punkte, wo es seinerseits
unsichtbar werden kann" —, über welches Phänomen er
in seinen „Psych. Studien** ausführlich berichtete.*)
Ich habe nun bei Miller ein gleiches, sehr bemerkenswertes
Phänomen beobachtet Einen Spirit, den ich schon
erwähnte und der mich wiederholt umarmte und küsste,
bat ich, zu versuchen, ob ich wieder einmal ihn gleichzeitig
mit dem Medium zusammen sehen könnte. In einer Sitzung
von 22 Teilnehmern erschien er, voll materialisiert, und
neben ihm das Medium, frei vom Kopf bis zum Unterleib.
Innerhalb von vielleicht 3 Minuten wurde jedoch der Kopf
des Mediums gleich dem eines Kindes, fiel dann
immer mehr zusammen und wurde schliesslich unsichtbar
. Sollte Mr. Miller Frankreich und England besuchen,
so hoffe ich, dass er Bedingungen dort antrifft, die es theoretisch
und praktisch geschulten Forschern, wie de Rochas,
Riehst<*. srmöglichen, unter strengen Bedingungen
Aehnliches zu sehen. —
Am 3. Juli traf ich wieder in Los Angeles ein, aber
ich fühle mich da nicht wohl. Ohne verfeinerte Geselligkeit
, ohne geistige Genüsse, verfalle ich hier oft in dumpfe
Gleichgiltigkeit oder in einen krankhaften Erregungszustand.
Ich erinnere mich einmal „Gedankensplitter von Maxim
*) „Ein epochemachendes Phänomen im Gebiete der Materialisationen
*, „Psych. Stud.* 1894, S. 284 ff.; vergl. „Animismus und
Spiritismus", 2. Aufl., 8. 264—266.
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