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M. K.: Ueber transzendentale Warnungen.
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Unwahrscheinlich sei fremdgeistige Inspiration dagegen
dann, wann zwar ein Ereignis von Wichtigkeit für uns
vorausgeschaut wird, seine Uebersetzung ins Tagesbewusst-
sein aber in so unbestimmten symbolischen Bildern erfolgt,
dass eine klare Deutung erst nach dem wirklichen Geschehen
möglich ist, oder dass womöglich gar durch getroffene
falsche Gegenmassregeln die Erfüllung des Traumes
erst herbeigeführt wird.
Hier ist eine fremdgeistige Warnung illusorisch, denn
man kann wohl annehmen, dass ein Geist, wenn er wirklich
warnen will und kann, dies in einer Form tun wird, dass
der Zweck auch wirklich erreicht wird.
Darüber, wie Erkenntnisse der Seele in das Gehirn
gelangen, lässt sich du Frei nicht aus. Es ist dies bei seiner
Lehre vom Astralleib, der eben die Vermittelung übernimmt
, auch nicht nötig. Schopenhauer,*) der die Tatsache
der Wahrträume unumwunden zugibt, zerbricht sich vergeblich
den Kopf darüber, wie Erkenntnisse der Seele in
das Gehirn gelangen* Er nimmt als Sitz der Seele, was ja
auch sehr wahrscheinlich ist, das sympathische Nervensystem
an, das vom zerebralen Nervensystem völlig getrennt ist.
Ehe ich nun zu wirklichen Warnungen übergehe, will
ich zunächst eines Traumes aus meiner eigenen Lebenserfahrung
oder vielmehr der meines Vaters Erwähnung tun,
der alle Kennzeichen derjenigen Träume aufweist, die aus
der Tätigkeit der eigenen Psyche, bezw. dem Unter-
schwellenbewusstsein resultieren. Mein Vater,
dessen dritte Frau damals noch lebte, erzählte mir im Februar
1901 einen Traum, den er kurz vorher gehabt hatte
und der ihm wegen seiner plastischen Deutlichkeit ganz besonders
im Gedächtnis haften geblieben war.
Er sei mit seiner Frau zusammen an einem Hause
vorbeigegangen. Auf einem Balkon dieses Hauses hätten
zwei Frauen gesessen. Plötzlich habe sich die eine dieser
Frauen in einen Eaubvogel verwandelt, de,*- sujJb. ajif seine
neben ihm wandelnde Frau gestürzt habe. Von diesem
Moment an sei diese verschwunden gewesen und er habe
sich allein befunden.
Mir war die Bedeutung des Traumes sofort klar, nämlich
der baldige Tod setner dritten Frau. Ich hütete mich
aber, ihm gegenüber diese Deutung zu äussern, um ihn
nicht zu beunruhigen. Hierbei sei erwähnt, dass an ein
solches Ereignis damals noch gar nicht zu aeüken war,
*) S. Schopenhauer: „Versuch über das Geistersehen und was
damit zusammenhängt/
Psychische Studien. Januar 1906. g
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