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Die Romanze der drahtlosen Telegraphie.
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geschlagen, so wird sie in einer nahe befindlichen Geige
einen gewissen Ton erzeugen. In diesem Falle spielt das
Klavier im Verhältnis zur Stimme und die Geige in dem
zum Klavier die gleiche Rolle wie die JFrittröhre im Verhältnis
zu dem Apparat, der die elektrischen Wellen aussendet
. Auch eine gewöhnliche Meeresmuschel enthüllt uns
Aehnliches. Halten wir sie ans Ohr, so hören wir ein
Brausen von bestimmter Tonhöhe in ihr, und wenn gleichzeitig
der entsprechende Ton auf einem benachbarten Klavier
angeschlagen wird, so verstärkt sich das Rauschen in
der Muschel. Dies ist auch das Prinzip in der Beziehung
der beiden Hauptapparate in der drahtlosen Telegraphie,
des Sendeinstruments und des Empfängers. Beide Apparate
müssen elektrisch zu einander abgestimmt werden, und
das kann sogar so weit geschehen, dass die zwischen beiden
gewechselten Wellen für einen anders abgestimmten Apparat
unvernehmlich werden.*) Allerdings ist diese Leistung
noch nicht mit genügender Vollkommenheit gelungen, ob-
gleich man sich sehr darum bemüht, weil erst dadurch das
Abfangen drahtloser Depeschen durch unbefugte Apparate
verhindert werden könnte.
Wo findet nun die drahtlose Telegraphie ihr Ende?
Auf der Erde nicht, denn ebenso wie der Atlantische Ozean
von der alten bis zur neuen Welt von den elektrischen
Weilen überflogen wird, kann man auch annehmen, dass
man ein drahtloses Telegramm um die halbe oder beiderseits
um die ganze Erde schicken könnte. Aber auch nach
oben hin ist den elektrischen VVeilen keine Schranke
errichtet. Der Schall ist in seiner Fortpflanzung beschränkt
auf die Luft und muss daher innerhalb der irdischen Atmosphäre
bleiben. Wenn die ganze Erde explodierte, so wäre
es nicht denkbar, dass auf der Sonne ein Geräusch davon
vernehmbar wäre, selbst wenn sich auf ihr ein Wesen
befände, das ein solches zu hören begabt wäre. Töne
dringen durch den Weltraum nicht, wohl aber elektrische
Wellen, deren Träger der alles erfüllende Aether ist. Danach
könnte man die Frage aufwerfen, ob die drahtlose
Telegraphie vielleicht auch einmal eine Anwendung in der
Himmelskunde finden könnte, oder, mit anderen Worten,
ob es möglich wäre, mit elektrischen Wellen die Sterne zu
*) Ein ganz ähnliches Eapport-Verhältnis muss, wie namentlich
C. Mammarion in seinem von uns schon des öfteren zitierten
Werk über „Das Unbekannte* nachgewiesen hat, zwischen dem
Agenten und dem Perzipienten bei einer telepathischen Fern-
inrkung, bezw. bei Mitteilungen Verstorbener an Lebende angenommen
werden. — Eed.
Psychische Studien. Januar 1906, 4
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