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96 Psyohische Studien. XXXIIL Jahrg. 2. Heft. (Februar 1906.)
Wallace war, wie er uns selbst erzählt, entschiedener
Materialist; er las mit Bewunderung die Werke von Dav. Fr.
Strauss und Carl Vogt und war ein entschiedener Verehrer
speziell von Herbert Spencer \ aber die Last der Tatsachen
zwang ihn schliesslich, seine frühere Weltanschauung
preiszugeben und für den verpönten Spiritismus einzutreten.
Das Eigentümliche dabei ist nur dies, das W. von Jahr zu
Jahr den Boden der exakten Naturwissenschaft allmählich
verlässt und mehr und mehr einer ganz naturwidrigen
Weltanschauung huldigt, indem er die Entwickelungslehre
nur noch mit wesentlichen Einschränkungen gelten lässt.
W. schliesst nämlich den Menschen von der Entwickelung
insofern aus, als er behauptet, der Geist des Menschen sei
übernatürlichen Ursprungs; dagegen hat er nichts, wenn
man annimmt, der Mensch stamme dem Leibe nach von
niederer organisierten Wesen ab»
Wir seheu also, dass hier der strengste Dualismus zu
Tage tritt, und sind gezwungen, gegen solche Anschauungen
zu protestieren, wollen wir nicht selbst naturwissenschaftlich
rückständig bleiben und mit der exakten Wissenschaft in
Konflikt geraten. Ich weiss nicht, ob W. auf Grund
spiritistischer Theorien oder auf Grund eigener wissenschaftlicher
Ueberzeugung auf einen solchen Abweg gelangte
. Im ersteren Falle ist eine Modifikation der modernen
Entwickelung8theorie nicht notwendig, im letzteren
Falle haben wir an sich selbstredend nichts dagegen einzuwenden
, wenn ein Mann seiner festen Ueberzeugung Ausdruck
gibt.
Die Hauptschranke gegen die allgemeine Anerkennung
einer übersinnlichen Weltanschauung bildet freilich heute
noch gerade die durch Darwin reformierte und erweiterte
Entwickelungstheorie. Darwin versuchte an der Hand des
Experimentes die Ursachen der Entwickelung darzulegen.
Heute muss man aber Entwickelungslehre und Darwinismus
streng scheiden und braucht nach der Ansicht von Fachmännern
nicht mehr anzunehmen, dass die Darwinsche
Selektionstheorie wirklich das Geheimnis der Entwickelung
gelöst habe.*) Die Entstehung der Arten im Tier- und
*) Wie alles in der Natur, so ist selbstredend auch die Entwickelungslehre
des grossen Denkers von Down selbst dem Gesetze
der Weiterentwickelung unterworfen. So halten die Vertreter der
sog. neo-lamarckistischen Entwickelungsauffassung: Eimer, Kassowitz,
Wettstein, Pauly u. a. zwar an der Deszendenztheorie fest, erklären
aber das Darwinsche Selektionsprinzip für unrichtig. Während
z. B. der besonders durch seine genialen Untersuchungen über
Erblichkeit berühmt gewordene Freiburger Professor August
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