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112 Psychische Studien. XXXIII. Jahr£. 2. Helt. (Februar 1906.)
Lebenssubstanz umzuwandeln, indem sie sie verzehren, diese
bunte, so schutzbedürftige Menge lässt eine solche natürliche
Wohnung nicht unbenutzt, wie sie die Schuppen wurzhöhlen
bieten. Sie eilen hinein — um nicht wiederzukehren.
Was für ein kleines Drama der Natur spielt sich da unterirdisch
ab? Aus der Wand der Wohnung greifen winzige
Aermchen heraus, gierige Fühler packen die schutzsuchende
Milbe, wie die beweglichen Hörner eines Kraken saugen sie
begierig die Lebenssäfte, und sind sie fertig, verschwinden
sie ebenso geisterhaft, wie sie gekommen, in der Wand.44
Wir müssen es uns Baummangels halber versagen, des
näheren auf die anmutigen Liebes- und Hochzeitsidyllen im
Pflanzenreiche einzugehen, die Francd als einen lieblichen
Gegensatz zu den geschilderten Mordszenen gibt. Wir
können auch nur auf das Buch selbst verweisen, wenn wir
der Beweise gedenken, der interessanten Experimente, die
es exemplifizieren, dass die Pflanze nicht nur Bewegungsfähigkeit
, nicht nur die Triebe nach Licht, nach Feuchtigkeit
, nach geeigneter Nahrung, sondern dass sie auch Instinkte
, das3 sie Empfindung, dass sie eine Seele
besitzt, wenn auch nur das alles in einem primitiven, vereinfachten
Zustande. Wenn heute der Wunsch vielfach geäussert
wird, es möge der heranwachsenden Jugend ein
neues, ein modernes Märchenbuch voll Poesie in die Hand
gegeben werden, in welchem nicht von den Wundern der
Feen und Zwerge, sondern von den viel wunderbareren
Wundern der Natur erzählt werden soll, kein besseres
wird zu finden sein als „Das Sinnesleben der Pflanzenu
von R. Francd.
III. Abteilung/
Tagesneuigkeiten, Notizen u. dergl.
Ton der Sprache der Tiere.
Von Hermann Borkenhagen in Neu-Barnim *)
Der tägliche Umgang mit Tieren hat den Menschen
schon längst die Ueberzeugung gegeben, dass auch Tiere
die Fähigkeit besitzen, sich untereinander verständlich zu
*) Nachdem unser hochgeschätzter Mitarbeiter Dr. med. Ed.
Reich im Sept.-Heft v. J. (S. 528) die alte Streitfrage, ob schon bei
Tieren von einer (verhältnismässig) artikulierten Lautsprache die
Rede sein könne, von neuem angeregt hat und mit seiner unbedingten
Bejahung derselben auf vielfachen Widerspruch gestossen ist, haben
wir schon in den vorangehenden Heften einschlägige Beiträge aus
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