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Borkenhagen: Von der Sprache der Tiere. 113
machen. Vor allen sind es die Säugetiere, welche ihre
Empfindungen, Bedürfnisse und auch ihren Willen durch
Gebärde und Sprache auszudrücken vermögen. Wer wüsste
nicht das Wiebern des Pferdes, das Brummen der Kuh,
das Miauen der Katze und das Knurren und Gebell des
Hundes zu deuten?! Wer wüsste nicht aus den Mienen
und Geberden aller dieser Tiere auf ihr Wollen und Voll- .
bringen zu schliessen?
Nächst den Säugetieren besitzt auch die gesamte ge-
fiederte Welt eine Sprache. Der Hahn gibt den Hühnern,
die Glucke ihren Küchlein das Herannahen einer Gefahr
durch bestimmte Töne zu verstehen. Dasselbe tun
auch alle andern Vögel. Warnend, bittend, rufend und
liebkosend vernehmen wir die Sprache der Vögel, wenn wir
sie in ihrem Leben und Treiben verständnisvoll zu beobachten
verstehen.
Mehr aber noch als bei den Säugetieren und Vögeln
ist die Sprache der Insekten ausgebildet und beansprucht
daher das grösste Interesse. Da sind in erster Linie die
Ameisen, welche man fast überall findet und die daher
von jedem Menschen beobachtet werden können. Der
sinnige Naturfreund wird auch nicht achtlos an den kleinen
Tierchen vorübergehen, sondern sie aufmerksam betrachten
und dabei dem bekannten Naturforscher L. Bückner, welcher
sich bei der Erforschung der Insektensprache grosse Verdienste
erworben, Recht geben müssen. Büchner behauptet
insonderheit von den Ameisen, sie sprächen durch Töne
and Fühler, und erzählt uns darüber: „Zwei Ameisen, die
miteinander reden und sich unterhalten, sieht man mit den
Köpfen einander gegenüberstehen und sich mit ihren überaus
empfindlichen und beweglichen Fühlern auf das lebhafteste
bearbeiten. Dass sie sich auf diese Weise gegenseitig
sehr detaillierte Mitteilungen und zwar über ganz bestimmte
Dinge zu machen imstande sind, wird durch zahllose
Beispiele erwiesen. Von diesen Beispielen mögen hier
einige Erwähnung finden. Bekanntlich haben die Ameisen
von ihrem Neste aus bestimmte Gänge nach verschiedenen
Eichtungen hin. Legt man nun in diese Gänge irgend
einen Gegenstand, so wird die erste Ameise, welche ankommt
, stutzig, dreht um und berührt die ihr auf dem
dem Seelenleben der Tiere gebracht und entlehnen obigen interessanten
Artikel, der die Frage von neuen Seiten beleuchtet, der
„Tierschutz-Korrespondenz" bezw. der Nr. 10 (Oktober 1905) des
„Tier- und Menschenfreund/ Vereinsblatt des „Internat.
Vereins zur Bekämpfung der wissenschaftl. Tierfolter* (Geschäftsstelle
: Dresden, Albrechtstr. 35; 2 M. pro Jahr.) — Eed.
Psychische Studien» Februar 1906. 8
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