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Borkenhagen: Von der Sprache der Tiere. 115
bemerkte ieh einen zweiten Käfer gleicher Art, welcher aus
dem Innern des Loches ein Häufchen Erde bis an die
Oeffnung schaffte und dann wieder im Berg verschwand.
Alle vier bis fünf Minuten kam ein Haufen aus dem Loche,
welchen der Käfer drausseu fortschaffte. Beinahe eine
halbe Stunde lang war ich Zeuge dieser Arbeit. Dann
kam der Käfer, welcher inwendig gearbeitet hatte, an das
Tageslicht und lief zu seinem Kameraden hin. Beide
steckten nun die Köpfe zusammen und trafen offenbar eine
Verabredung; denn gleich darauf wechselten sie die Arbeit.
Derjenige, welcher draussen gearbeitet hatte, ging in den
Berg und der andere übernahm die Arbeit ausserhalb.
Noch eine Weile sah ich zu und entfernte mich dann mit
dem Gedanken, dass diese Tiere sich verständigen können
wie die Menschen."
Also muss man folgenden Ausspruch eines Kenners
gelten lassen: „Bei jedem Schritt auf dem ungeheueren
Gebiete des Tierreichs kommt mau von Ueberraschung zu
Ueberraschung, da man bei den Tieren alles das wiederfindet
, was man soeben erst in den geheimsten Falten des
menschlichen Geistes und Herzens entdeckt hat. Die
Temperamente und Leidenschaften, alle guten und schlechten
Eigenschaften des Menschen steigen nacheinander vor uns
aus dem weiten Meer des tierischen Lebens empor und
überall zeigt sich dem erstaunten Beobachter das treue
Abbild unseres ganzen gesellschaftlichen, künstlerischen,
wirtschaftlichen und politischen Lebens." Und dieses Abbild
hat uns ein Aesop, ein Lafontaine, ein Geliert und Lessing
in vielen schönen Fabeln vortrefflich gezeichnet.
Ein Tranm.
Von Henryke SienMwic».*)
Nach einem güten Diner wurde im behaglichen, hell
erleuchteten Salon von allerlei merkwürdigen Geschehnissen,
von Ahnungen, Erscheinungen und ähnlichen unerklärlichen
Dingen gesprochen. Auch ein Arzt befand sich in der
Gesellschaft, der mit den Mienen des Skeptikers zu all den
*) Obiges, uns von Herrn Dr. Emil Jacobsen (Charlottenburg)
zum Abdruck in den „Psych. Stud.* gütigst eingesandte Feuilleton
des kürzlich durch den Literaturpreis der Nobelstiftung ausgezeichneten
polnischen Eomanciers (geb. 1845 zu Warschau, Verf. von
„Quo vadis" u. a. Eomanen) macht ganz den Eindruck, dass dieser
bekanntlich auch in anderen Variationen berichteten, bezw. poetisch
ausgeschmückten Erzählung ein wirklich einmal erlebtes Vorkommnis
zu Grunde liegt, und ist für seine metapsychische Richtung charakteristisch
. — Red.
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