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Kurze Notfeen
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im Prozess als Zeuge vernommen wurde, im Gerichtssaal
erklärte, er habe in der betreffenden Mordnacht geträumt,
dass sein Bruder erschossen und die Leiche verbrannt wurde.
Er erzählte am folgenden Morgen den Traum seiner Schwester
und identifizierte im Geriehtssaale King als den Mann, der
ihm in dem Traum als der Mörder seines Bruders erschienen
war. („N. W. J.tt v. 8. X. 05. Vgl. K. Not. c)
im Dez.-Heft v. J. S. 742 und Jan.-Heft e) S. 54.)
d) Ein fabelhaftes Gedächtnis. Seit einiger
Zeit erregt in England und Amerika ein Künstler der
Mnemotechnik grosses Aufsehen. Mit seinem eigent-
. liehen Namen heisst er Bottie, aber sein Ruhm knüpft sich
an den Namen Datas f unter dem er auftritt. Er ist ein
geborener Engländer und 30 Jahre alt. Sein Gedächtnis
übersteigt alle Vorstellungen, die sich die Phantasie an
Wunderbarem machen kann. Es erstreckt sich auf alles
ohne Ausnahme, und sein Können unterscheidet sich von
den Vorführungen anderer Gedächtniskünstler dadurch,
dass Datas nicht die einfachen Kalkulationen und Hilfen
der anderen anwendet, sondern seine Leistungen vermöge
einer ihm angeborenen phänomenalen Kraft des Gehirns
vollbringt. Bottie war Arbeiter in einer Gasanstalt und
hatte im Londoner Kristall-Palast zu tunf wo ein Künstler
zufällig sein aussergewöhnliches Talent entdeckte, die Be-
deutung und den Wert dieser ganz einzigartigen Fähigkeit
erkannte und der Impresario von ihm wurde. Unglücklicherweise
hat Datas sein Gehirn durch stetige Anstrengungen
so mit Arbeit überhäuft, dass Sachverständige erklärt haben,
dieser phänomenale Mensch werde nicht viel über 35 Jahre
alt werden. Unterdessen erwirbt sich Datas grosse Reichtümer
; er verdient die Woche über 3000 Mk,, und da er
der Ansicht ist, dass sein Gehirn auch nach seinem Tode
einen bedeutenden Wert habe, hat er es verkauft und für
seine Erben eine bedeutende Summe erlangt Ebenso hat
er mit einem bekannten amerikanischen Phrenologen einen
Vertrag abgeschlossen, durch den er ihm für die Summe
von 50000 Ers. seinen Kopf verkauft hat. Ein Teil der
Summe ist ihm bereits ausgezahlt worden; den Rest erhält
seine Witwe. Versuche sind angestellt worden, auf Grund
deren man mit ziemlicher Bestimmtheit annehmen zu können
glaubt, dass das Gehirn dieses aussergewöhnlichen Menschen
ein sehr grosses Gewicht besitzt, ein grösseres, als wohl
irgend eines, das man bisher gewogen hat.
e) Der Mann ohne Gedächtnis. Aus Sydney
wird laut dem „Tagesboten für Mähren und Schlesien" berichtet
: Ein seltener Fall von Versagen des Gedächtnisses
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