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124 Psychische Studien. XXXIII. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1906.)
sie scheinbar ganz unmotiviert ist, gehört aueh*8fters in diese
Kategorie. Oft ist das Verhalten der kranken Wanderer
ein derartiges, dass sie ihrer Umgebung nicht weiter auffallen
; manchmal werden sie aber als Geisteskranke erkannt
und kommen sogar mit den Gesetzen oft in Konflikt.
Ueber einen solchen Fall berichtet Dr. Mörchen in der
„Monatsschrift für Psychiatrie", der deswegen besonders
interessant ist, weil er zeigt, dass solche Menschen in Wahrheit
oft ein doppeltes Leben führen. Denn der
Patient, ein junger Mann von 26 Jahren, war ein fleissiger,
solider und nüchterner Mensch, solange er gesund war.
Wenn er aber von seinem krankhaften Wandertrieb befallen
wurde, dann wurde er unsolide, verschwenderisch, ein
Trinker, ja ein Verbrecher, Die Anfälle traten mit dem
22. Lebensjahr auf und hinterliessen keine Erinnerung. Der
Kranke wurde nach zwei bis vierzehn Tagen in den Strassen
einer fremden Stadt gefunden und erwachte dann wie aus
einem langen Schlaf. Je länger die Krankheit bestand,
desto grösser wurden die Wanderungen. Zuletzt dauerten
die Anfälle mehrere Monate und während einer solchen
Wanderung verübte der Kranke Diebereien und Betrügereien,
die den Stempel der planmässigen Ueberlegung derart trugen,
dass man den Kranken erst für einen abgefeimten Gauner hielt.
Im Gefängnis erlitt er jedoch einen Tobsuchtsanfall, sodass
bald nicht mehr zu bezweifeln war, dass man es mit einem
Geisteskranken zu tun hatte. Die Wichtigkeit derartiger Fälle
für die gerichtsärztliche Beurteilung liegt auf der Hand.
h) -j- Dr. R. Hodgson. Die „Westminster Gazette"
vom 21. XII. v. J. meldet den Tod von Dr. Richard
Hodgson, Sekretär der amerikanischen Abteilung der Londoner
S. P. R. und Ehrenmitglied der „ Gesellschaft für
psychische Studien" in Mailand. Da es nicht möglich ist,
in diesem Hefte über seine besonnene und unermüdliche
Forschung weiter zu berichten, müssen wir uns vorerst auf
diese Nachricht von einem für unsere Sache so beklagenswerten
Verluste beschränken. („Luce e Ombraa, Jan. 06.)
IiiteraturbericM.
Berichterstatter für sämtliche Literatur des In- sowie Auslandes ist Hofrat
Dr. Wernekke in Weimar, an welchen auch alle Rezensionsexemplare einzusenden
sind. Die Redaktion übernimmt keine Verantwortung tur die in
den Besprechungen ausgesprochenen Ansichten.
A. Bücherbesprechimgen.
H. H. Tiebe, Dhanima oder die Moral-Philosophie des Buddha Gotama;
deutsche Ausgabe von K, B. Seidemtücker. Leipzig, Buddhistischer
Verlag, 1904. Preis 1 M.
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