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De Fremery: Anleitung zur Kenntnis de» Spiritismus. 133
kommenden Laute werden verwirrt und undeutlich wahrgenommen
, der Geruchssinn ist für reizende Gerüche unempfindlich
geworden, unsere Gedanken werden immer neb-
lieher und schliesslich sind wir uns nicht mehr bewusst zu
leben. Anstatt uns dagegen zu wehren, gehen wir diesem
Zustand jeden Abend mit Sehnsucht entgegen und schliessen
uns in aller Ruhe von der Aussenwelt ab. So bringen wir
ein Drittel unseres irdischen Lebens zu.
Es ist wohl der Mühe wert, dieser Sache etwas Aufmerksamkeit
zu schenken. Denn wir werden niemals ein
richtiges Bild von dem Menschen bekommen, wenn wir
uns darauf beschränken, bloss zwei Drittel des Wachdaseins
zu studieren. Wir wissen alle, dass der Schlaf keine vollkommene
Bewusstiosigkeit mit sich bringt. Wir träumen,
wir glauben allerlei Bilder zu sehen, wir haben eingebildete
Begegnungen und Gespräche und die Ereignisse, welche
unsere Traumphantasie uns vorzaubert, kommen der Wirklichkeit
manchmal so nahe, dass wir aus ihnen mit Schrecken
oder unter Lachem erwachen.
Im allgemeinen kümmert man sich um diese Traumerscheinungen
wenig. Die meisten Menschen beruhigen sich
dabei, dass sie während zwei Dritteln ihres Lebens keine
Herrschaft über ihr Hirn besitzen und den wildesten Vorstellungen
ihrer Traumphantasie überliefert sind. Sie finden
es ganz natürlich, dass sie träumen; das tut ja jeder. Soll
man lange eine Erklärung dafür suchen? Torheit; Träume
sind Betrug! Damit ist dann die Sache abgetan.
Allein, selbst wenn die Träume immer Betrug wären,
wäre es doch der Mühe wert, zu untersuchen, warum sie
das immer sind. Solange man indessen nicht weiss, aus
welchen Gründen unsere Träume nichts anderes sein können,
als leere Phantastereien, ist der Beweis, dass die Träume
Betrug sind, nicht erbracht. Dazu müsste die Art unseres
Traumlebens bekannt sein, wie auch die Quelle, aus der es
seine Vorstellungen schöpft.
Als Sitz unserer Sinneseindrücke im wachenden wie
im schlafenden Zustande wird das Hirn angenommen und
diese Auffassung stützt sich auf die Erfahrung, dass in
unseren Träumen % Vorstellungen aus unserem täglichen
Leben unvermerkt aufleben. Allein der Schlaf wird eingeleitet
mit einer Gefühllosigkeit unserer Sinneswerkzeuge
und derjenigen Teile des Hirns, mit denen sie durch die
Nerven verbunden sind. Das Wachbewusstsein wird immer
dunkler; es muss daher mit diesen Hirn teilen nahe verwandt
sein. Dagegen findet ein innerliches Erwachen statt,
das sich in Traumvorstellungen äussert* Diese müssen,
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