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136 Psychische Studien. XXXIIL Jahrg. 3. Heit. (März 1906.)
Traumvorstellungen. Ein zu enger Hemdkragen verursachte
bei jemandem einen Traum, er werde aufgehängt;*) ein Strohhalm
zwischen den Zähnen rief bei einem anderen den Traum
hervor, er werde von Räubern überfallen, die ihn auf den
Rücken legten und einen Pfahl zwischen seine zweite und
die grosse Zehe in den Boden schlugen.**)
Reizt man die Sinnesorgane absichtlich, so kann dadurch
ein Traum von bestimmtem Inhalt hervorgerufen
werden. Jemand, dem man einige Tropfen Wasser auf den
Mund spritzte, träumte dadurch so lebhaft, er schwimme,
dass er selbst die Hände auseinanderschlug und die gewöhnlichen
Schwimmbewegungen machte.***) Hervey hat dieses
Vermögen, den Inhalt der Träume nach Willkür zu bestimmen
, weiter entwickelt.-}-) Er wendete u. a. bei einem
vierzehntägigen Ausflug absichtlich dasselbe wohlriechende
Parfüm bei seinem Taschentuch an. Als er nach Hause
kam, schloss er das Riechfläschchen ein paar Monate lang
ein. Dann gab er es seinem Diener mit dem Auftrag,
während er schlief, ein paar Tropfen aus dem Mäschchen
auf sein Kopfkissen zu sprenkeln. Der Diener hatte sich
selbst einen Morgen auszuwählen und vollzog seinen Auftrag
erst geraume Zeit nachher. Hervey träumte dann von seinem
letzten Ausflug. Der Versuch wurde nochmals mit demselben
Erfolge wiederholt. Wurden zwei verschiedene Parfüms
, die bei zwei anderen Gelegenheiten von ihm gebraucht
wurden, auf sein Kopfkissen gesprenkelt, dann vermischte
sich in seiner Traumphantasie die Erinnerung an beide
Umstände durch einander, Als die Geruchsnerven durch
öftere Versuche abgestumpft waren, rief er sein Gehör zu
Hilfe. Er kam viel zu Familien auf Besuch, wo am Abend
getanzt wurde und traf da meistens denselben bekannten
Kreis. Aus diesem wählte er zwei Damen und er wusste
den Tanzmeister zu überreden, stets eine bestimmte Melodie
spielen zu lassen, wenn er mit einer von diesen walzte, so
dass jede dieser Damen mit einer bestimmten Walzermusik
verbunden wurde. Nun kaufte er eine Spieldose, die beide
Melodieen geben konnte, und so oft er zur Zeit seines
Morgenschlafs einen dieser Walzer spielen liess, wurde in
seiner Traumphantasie das Bild der damit verbundenen
Dame hervorgerufen.
Findet die Sinnesreizung plötzlich statt, so dass sie
den Schläfer mit einem Schrecken zum Erwachen bringt,
*) Hennings, „Von Träumern und Nachtwandlern", 8. 256.
**) Scherner, „Das Leben des Traumes", 8. 233.
***) Nudow, „Theorie des Schlafes*, 8 132.
f) Hervey, „Les r§ves et les moyens de les diriger.*
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