http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1906/0165
Bernhard: Die Materialisationssitzungen in Algier. 151
häkchen des Stehkragens (im Genick) ist geschlossen und durch
die offene Rückseite der Bluse ist der Kopf gesteckt. —
Das über dem sog. Helm hängende weisse Tuch, welches etwas
mit dem Kinn festgehalten wird, ist das untere Ende eines Damenhemds
; in dasselbe sind beide Arme gewickelt und der Brustteil des
Hemdes, mit einer Handarbeitspitze versehen, hängt unten und
liegt zum Teil auf einem davorstehenden gepolsterten, wahrscheinlich
roten Fauteuil etwas auf. Deutlich sieht man die sogenannten
Lochspitzen. -
Die weissen Ausladungen am Bild, die eine rechts quer, die
andere links nach unten, sind die Hosenbeine des Mediums, Frl.
Martha. Bitte mit einem Vergrösserungsglas das Bild genau anzusehen
! —
Trotzdem neige ich zur Ansicht, dass kein absichtlicher
Betrug (!) vorliegt, nachdem ich auch das Phantom der durch die
einzig dastehende hochachtbare Frau rPEsperance erzeugten Egypterin
„ Yolantle* als Gewandung mit einem modernen Unterrock mit Besatz
, ditto Hemd und einem Tischtuch oder einer Serviette bekleidet
finde (s. „Shadow-Land*, S. 310). Ich weiss mir keinen Reim zu
solchen Phantomen zu machen, aber sehr ans Herz möchte ich den
Herren Gelehrten es legen, bei Materialisationssitzungen immer
jemand mit geübten Augen, d. h. womöglich einen Maler teilnehmen
zu lassen. — Es wird also ratsam sein, vorderhand die Berichte
mutiger Gelehrter, wie Crookes und Richel, lieber nicht durch
Photogramme von Phantomen zu illustrieren und so die Berichte
selbst dem Gespött und der Lächerlichkeit eines oberflächlich urteilenden
Publikums preiszugeben. Ich habe nichts dagegen, wenn
Sie, hochgeehrtester Herr Professor, diese Zeilen in Ihren „Psychischen
Studien* als Vertretung meiner persönlichen Ansicht irgendwie
anbringen wollen. In vorzüglichster Hochachtung G. v. Max.*
Wir stehen also, wie leider bislang fast immer, wenn wissenschaftliche
Autoritäten, wie ein Crookes oder Richet, sieh der genauen
Prüfung eines spiritistischen Mediums unterzogen haben,
abermals vor einem ungelösten Rätsel. Solche, nicht voreingenommene
Gelehrte pflegen jedesmal unter dem unmittelbaren
Eindruck des unter allen denkbaren Vorsichtsmassregeln von ihnen
selbst Gesehenen und Gehörten, persönlich zuerst eine an Gewissheit
grenzende Ueberzeugung von der Echtheit der betreffenden
Phänomene zu erhalten, während sich ebenso regelmässig bald nachher
, infolge der bei der Nachprüfung sich ergebenden Einwände, in
ihrer eigenen Seele Zweifel einstellen, ob sie nicht doch getäuscht
wurden. Nach unserem unmassgeblichen Ermessen muss man bei der
oben geschilderten Sachlage annehmen, dass Mlle. Martha entweder
— wie dies von spiritistischer Seite z. B. seiner Zeit bei der gerichtlich
bestätigten „Entlarvung" der f diesen Töpfer, sowie in
anderen, ähnlich liegenden Fällen behauptet wurde, — kraft einer ihr
unbewusst bleibenden „Inspiration* der sich manifestierenden
jenseitigen „Intelligenz11, die in unserem Fall ein verstorbener
„indischer Priester« sein will, sich zu scheinbar betrügerischen
Handlungen bewegen Hess, oaer aber — nach der animistischen
Theorie — unter dem zwingenden Einfluss einer (auch den
Trancezustand bedingenden) Autosuggestion, d. h. also beherrscht
von der einen, alle übrigen Geistestätigkeiten ausschaltenden
fixen Idee, dem betreffenden „Geist" als „Medium* zu
dienen, sich mit den (von Meister Gabr. v. Max so genial enthüllten
) Kleidungsstücken — freilich mit einem ans fabelhafte
grenzenden automatischen Geschick und mit erstaunlicher
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1906/0165