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de Rochas: Phantom-Photographie.
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eine grosse Kundschaft zu erringen. Allein die Nachahmung
eines Phänomens hindert nicht, dass dieses Phänomen auch
wirklich existiert: ich möchte sogar sagen, dass eine starke
Vermutung zu Gunsten seiner Wirklichkeit
darin liegt; denn man ahmt bekanntermassen nur Modelle
nach. Es ist also von grosser Wichtigkeit, alle Fälle einer
Phantom-Photographie kennen zu lernen, welche ernsthafte
Garantien für ihre Echtheit bieten. Und das ist diejenige,
welche ich heute den Lesern darbiete. Dem nachfolgenden
Briefe lagen die beiden Platten 1 und 2 bei; ich verdanke
sie einem sehr gewissenhaften Herrn, den ich genau kenne
und dessen Familie mit der meinigen verwandt ist.
Man hat bereits mehrmals gegen derartige Photographien
eingewandt, dass Personen-Gestalten, welche man
für Geister oder Doppelgänger gehalten hat, durch kleine
Löcher entstanden seien, die sich zufallig in der Kamera
des Apparates befunden hätten. Dies könnte vielleicht bei
dem Bild auf der dritten Platte der Fall gewesen sein,
auf welchem man das Bild einer älteren Dame sich auf
ihrer rechten Seite nochmals darbieten sieht, obgleich diese
Reproduktion ihre besonderen Schwierigkeiten für eine Erklärung
aufweisen würde*); allein Platte 1 und 2 zeigen
indes ein dampfartiges Bild, das sich, während der Photograph
seine Aufnahme machte, verwandelte*
Brief des erwähnten Herrn an Oberst de Rochas:
„Hochgeehrter Herr Oberst! Ein durchaus unvorhergesehener
Umstand ruft in mir besonders die Erinnerung
an Sie hervor. Es hat sich bei uns nämlich etwas geradezu
unerhörtes zugetragen, was auf uns einen ganz gewaltigen
Eindruck gemacht hat. Und da ich nun weiss, mit welchem
*) Der Ausdruck des Mundes ist nicht derselbe; die Augen
sind auf der rechten Seite bei dem gespenstigen Bilde mehr nach
der Seite hin gedreht als auf dem anderen. Die Lage des rechten
Armes ist nicht ganz dieselbe. Die Brust des gespenstigen Bildes
zeiet sich ganz deutlich auf dem Türpfosten, wohingegen hei dem
anderen die Brust auf dem Arme der jungen Dame verschwommen
erscheint. [Das könnte ganz wohl auch durch Vorbeugen der
Dame während der Aufnahme verursacht worden sein! — Bed.]
Schliesslich ist von Belang, dass der Körper der älteren Dame
die Hand und die Manschette des hinter ihr stehenden Herrn
durchsehen lässt, als ob er gleichsam teilweise demateria-
s i e r t sei, um das nebenstehende gespenstige Bild hervorzubringen.
Alles das könnte allerdings wohl von einer zufälligen Belichtung
der Platte durch ein kleines Loch in der Kamera herrühren zur
Zeit, als die betreffenden Personen, welche die Gruppe bilden, noch
nicht gsmz ihre Aufstellung genommen hatten und der Photograph
noch eine geeignetere Aufstellung seines Apparates suchte. [Wurde
eben aus diesem Grunde als verdächtig von uns nicht reproduziert.
— Bed.J
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