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242 Ps>«hmche Studien. XXXIII. Jahrg. 4. Hott. (April 1906.)
durch feine Nervenfasern mit den verschiedenen Organen
des menschlichen Körpers in Verbindung stehen; und durch
die chemische Untersuchung wurde gefunden, dass die Gehirnsubstanz
aus phosphorhaltigen Verbindungen besteht,
was wohl aber weit mehr bei der grauen Masse des Gehirns
der Fall sein wird, als bei der weissen Masse, welcher nur
die Funktion der Leitung zukommt. —
Diese angeführten Tatsachen sollen als ein kurzer
Ueberblick über den gegenwärtigen Stand der Dinge hinsichtlich
der Erforschung des Gehirns und dessen Tätigkeit
dienen. Zu erwähnen wäre nur noch, dass durch unsere
Sinnesorgane, als: Auge, Ohr, Nase, Geschmack und Ge-
lühlsapparate, die Empfindungen, welche dieselben von der
Aussenwelt erhalten, in elektrische Energien umgewandelt
werden und so als elektrische Strömungen oder Strahlungen
dem Gehirn, resp. den ihr zugehörigen Sinnessphären im
Rindengrau des Gehirns zugeführt werden. Von einer
näheren Beschreibung der Umwandlung von Schall- oder
Lichtätherwellen in Elektrizität mit Hilfe der betr. Sinnesorgane
soll hier abgesehen werden, da eine Schilderung
dieser Vorgänge, sowie der organische Bau der Sinnesorgane
bereits allgemein bekannt ist.
Stellen wir uns nun vor, die graue Grosshirnrinde versinnbildliche
die phosphoreszierende Glasplatte einer Camera,
nur mit dem Unterschiede, dass die Glasplatte ihre von
aussenher kommenden Einflüsse durch die Linse in Gestalt
von hellen Licht- und Wärmestrahlen oder des Nachts im
Finstern von dunklen Strahlen verschiedenen Ursprungs bekommt
, welche das Bild dauernd auf die phosphoreszierende
Masse einprägen, während die graue Grosshirnrinde ihre
von aussenher kommenden Einflüsse in Gestalt von elektrischen
Strömungen oder Strahlungen erhält, welche sich
ebenfalls in analoger Weise wie bei der präparierten Glasplatte
einprägen. Dieser Vorgang veranschaulicht zunächst
das Merken der Sinneseindrücke; je öfter ein und dieselben
Eindrücke, wie z. B. Worte oder Bilder, auf die Gehirnrinde
einwirken, um so fester wird der Eindruck von
der Masse behalten und gemerkt.
Der umgekehrte Fall tritt jedoch ein, wenn der Sinneseindruck
nur ein kurzer war oder wenn die Sinneseindrücke
zu vielseitig und dadurch verschwommen sind. - Selbst-
verständlich wird die eine Gehirnrindenmasse besser merken
und empfinden, als eine andere, was ganz von der Phosphoreszenzkraft
des Rindengraues des Grossgehirns abhängt
. — Wenn ich von einer Phosphoreszenz der Gross-
himrindensubstanz spreche, so ist dieselbe selbstverständ-
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