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258 Psychische Studien. XXXIII. Jahtg. 4. Heft. (April 1906.)
liiteraturtoericlit.
Berichterstatter für sämtliche Literatur des In - sowie Auslandes ist Hofrat
Dr. Wernekke in Weimar, an welchen auch alle Rezensionsexemplare einzusenden
sind. Die Redaktion übernimmt keine Verantwortung für die in
den Besprechungen ausgesprochenen Ansichten.
A. Büchepbespreciiuiigeii.
„Gestirne und menschliches Schicksal, eine populäre Darstellung der
Lehren von Fuedrich Schwab, Verlag Karl Rohm in Lorch. 60 Pf.
Der Verf. sandte mir die Broschüre zur Besprechung; sie soll
keinen Unterricht erteilen, sondern nur durch einige Beispiele für
die Sache Propaganda machen, wobei dem Verf. Ernst und Lebhaftigkeit
nicht abzusprechen sind. Freilich wird es mit dem Verständnis
in Volkskreisen stets hapern, denn es ist schon schwierig,
selbst die einfacheren Elemente aer Geburtshoroskopie populär zu
machen. Die Fälle des von Geburt kranken Kindes (S. 18) und des
idiotischen Knaben (S. 21) sind vermöge ihrer auffällig üblen Konstellationen
gut gewählt; das lolle Verständnis können sie aber
auch nur bei jemand finden, der schon Kenntnisse darin besitzt.
Wichtig wäre die genaue Bestimmung des Aszendenten bei dem
Idioten-Horoskop. Der Eifer des Autors, den Lesern das Zutreffen
der Deutungen vor Augen zu führen, geht meines Erachtens aber
doch zu weit; denn die Deutungen, die „Wahrsagungen" in dem
Sinne, wie es dem Publikum wünschenswert erscheint, sind astrologisch
keineswegs so sicher, wie auch die Broschüre wiederum den
Anschein erweckt. Ohne es zu ahnen, hat der Verf. dafür ein
drastisches Beispiel geliefert und ist S. 26 einem „Unstern* anheimgefallen
, wo er nämlich eine Lebenswendung und Auswanderung
nach Amerika hinterher aus einem versehentlich im Meridian
tanz falsch geratenen Jahreshoroskop herausliest 1 Das Horoskop
el nicht nachmittags, sondern vormittags 10 Uhr 47 Minuten für
Heidelberg (6. Aug. 1905), und die Gestirne stehen also garnicht in
den Häusern, wie er S. 27128 seinen Deutungen unterlegt! Hätte
er das nicht schon bei diesen irrigen Auslegungen
bemerken müssen? Da die Gestirne sich unsere Deutungen
aber ruhig gefallen lassen und man häufig genug sieht, wie in der
astrologischen Deutekunst die Schwierigkeiten mit der Zahl der Berechnungen
und der Mischung der Einflüsse wachsen, so soll man
das Publikum nicht allzu sanguinisch mit Anführung nur einiger
zutreffender Diagnosen machen. Der Missgriff des Verfassers kann
seiner Schrift in den Augen von Zweiflern und Gegnern vielen
Abbruch tun. Hiezu kommt noch, dass auch das richtige Jahreshoroskop
keinen Aufschluss gibt für die Lebenswendung und Auswanderung
. — Zu der Anmerkung Kap. V., dass es ein Unsinn sei
zu glauben, wir seien von den Gestirnen abhängig, vielmehr verhalte
sich das Horoskop nur wie ein ? Uhrzeiger" zu unserm Schicksal
, muss ich einwenden, dass die Uhrzeiger-Hypothese ebenfalls keine
Unabhängigkeit etabliert. Der Standpunkt des Symbolismus und
Parallelismus muss heute aufgegeben werden, sonst könnte man ja
auch z. B. sagen, dass der Sonnenstand ein Uhrzeiger sei für die
periodischen Variationen der Magnetnadel! Es würde ebenso
stimmen, ist aber wissenschaftlich ganz unbrauchbar. Hätte ich
mich nämlich bei dem Uhrzeiger beruhigt, so würde auch meine
„Physik der Astrologie* nicht existieren, die er S. 15|16 selbst als
„Lösung des Bätsels* bezeichnet und anerkennt; nur hat er ihre
Folgerungen doch nicht ganz verstanden. Farben und Töne sind
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