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276 Psyohisehe Studien. XXXIII. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1906.)
Ausdruck hier überhaupt gebrauchen darf — sich wirklich
beständig ändert, bestätigt sich mir ein paar Augenblicke
später durch die Berührung. Denn es wird mir gestattet,
das Phantom, das mir jetzt seinen linken Arm entgegen
hält, zu berühren. Ich erhebe mich und berühre mit meiner
rechten Hand den herabhängenden Aermel, den ich nun
aus nächster Nähe aufmerksam betrachten kann. Es ist
dies ein musselinartiges, vollkommen weisses Gewebe, das
ich etwa eine halbe Minute mit der Hand befühle, wobei
ich die Empfindung habe, wie wenn sich seine Konsistenz
oder seine Dichtigkeit jeden Augenblick verändere
, wodurch der oben erwähnte Gesichtseindruck bestätigt
wird; ja noch mehr: ich spüre bei der Berührung
mit den Fingerspitzen ein leichtes Kribbeln, etwa wie das
bei der Berührung eines dickeren Spinnengewebes und
ausserdem ein Prickeln , vergleichbar der Empfindung bei
der Berührung eines Körpers, durch den ein schwacher
elektrischer Strom hindurchpassiert .... Die Berührung
dieser Substanz ruft also ganz andere Empfindungen hervor
, als die eines gewöhnlichen Musselin- oder sonstigen
Gewandstoffes."
Nachdem Monsieur JT. weiterhin berichtet hat, dass er
beim Hineinfühlen in den Aermel konstatieren konnte, dass
tatsächlich keine Hand, sondern anscheinend nur ein Armstumpf
vorhanden war, fährt er fort:
„Das Phantom befand sich noch ausserhalb des Kabinetts
, als jemand sein Bedauern darüber ausdrückte, dass
es gar nicht rede. Gleich darauf höre ich kräftige Atemzüge
, die vom Phantom ausgehen. Dann folgt ein länger
fortdauerndes Ausblasen des Atems, das, ohne von einer
Einatmung unterbrochen zu werden, etwa 30 Sekunden
währte. Es macht etwa den Eindruck, wie wenn aus einem
grossen Luftbehälter Luft ausströmt. Es ist wie das Geräusch
eines Blasebalgs, also ein Geräusch, das wohl kaum
von einem Menschen wird nachgeahmt werden können —
am wenigsten von unserem Medium, auf dessen schwächliche
Konstitution schon hingewiesen wurde. Hierauf gibt
das Phantom offenbar unter Anstrengung einen unartikulierten
dreimaligen Schrei von sich, der an das Schreien
eines Wiegenkindes erinnert."
Monsieur X hatte dann ein Jahr später, also im April
1903, wiederum Gelegenheit, einer Sitzung in der Villa
Carmen anzuwohnen, bei der er unter ungewöhnlich günstigen
Beleuchtungsverhältnissen das Medium und das Phantom
gleichzeitig beobachten konnte, als Medium dieselbe
JFrau Vincente und als Phantom wiederum dasselbe pagoden-
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