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Mikul5i<5: A. ß. Wallace und der Spiritismus. 299
der Materie noch mit der geistigen Wesenheit zu tun und
da sieht es im vorliegenden Falle mit der einheitliehen
Weltanschauung — ausgenommen den Pantheismus [eben!
- Red.] - sehr windig aus.
Im Weltall findet sieh sowohl materielles als auch
geistiges vor. Mit beiden haben wir zu rechnen; da diese
beiden Elemente heterogen sind, lassen sie sich nicht so
leicht in eine Schablone pressen. Wir müssen die Natur
so nehmen, wie sie ist, und nicht so, wie sie nach unserer
Meinung sein könnte oder sollte. —
Ich komme nun auf mein eigentliches Thema, nämlich
die praktische Anwendung des Spiritismus auf vorliegende
Streitfrage. Unter Spiritismus verstehe ich jene Wissenschaft
, die uns das Jenseits und dessen Beziehungen zu
uns erforschen lehrt. Zu diesem Zwecke müssen wir aber
die Quellen der Erkenntnis zu benützen verstehen, die uns
eben der Spiritismus bietet. Ausserhalb desselben kommen
solche Quellen nicht vor, denn mit der scharfsinnigsten
Spekulation sind wir nicht im stände zu erkennen, wie es
im Jenseits ausschaut. Die Entwicklungstheorie nun gehört
in so ferne zum Spiritismus, als die Entwicklung des
Menschengeistes im Jenseits ihre Portsetzung findet.
Worin bestehen nun die Quellen des Spiritismus? In
der Hauptsache doch wohl in den Aussagen der Geister.
Brr — ich sehe schon manche Leser die Hände zusammenschlagen
und ausrufen: Was? die Geisteraussagen sollen
für uns eine Quelle des Wissens werden?! Mit welchem
Rechte? — Nun mit jenem Rechte, mit welchem ein Universitätshörer
aus den lebendigen Worten des vortragenden
Professors sein Wissen schöpft. Zieht man noch vor den
Professor einen Vorhang, so dass er den Zuhörern nicht
sichtbar ist, so ist die Analogie sehr nahe gelegt.*) Es
wird doch wohl niemand bestreiten, dass wir auch mit
unserem Gehör Wissen aufnehmen können. Somit steht
kein prinzipielles Bedenken dem entgegen, in den Aussagen
der Geister jene Quellen der Erkenntnis zu finden, die im
Spiritismus vorhanden sind. Es wäre überdies sehr unlogisch
, wenn man uns den Verkehr mit den Geistern ge-
*) Nur mit dem Unterschiede, dass in dem angezogenen Fall
die Anwesenheit eines Professors hinter dem Vorhang mit den be-
kaunten Hilfsmitteln der Experimentalforschung exaktwissenschaftlich
festgestellt werden kann, während mindestens die meisten
der von den Spiritisten behaupteten Geisterkundgebungen anders
erklärt werden können oder einer streng kritischen Prüfung nicht
stand zu halten bezw. unzugänglich zu bleiben pflegen. — Red.
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