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Hoffmann: Die physikalische Grundlage der Psychometrie. 305
ungen, die, nebenbei bemerkt nicht gleichartig sind, haben
ihrerseits die Eigenschaft, dass sie einige Gegenstände der
Umgebung, sobald sie dieselben treffen, veranlassen, selbst
ähnliche Strahlen auszusenden; man sagt daher vom Radium
, es sei radioaktiv.*) Diese von den Gegenständen
der Umgebung ausgesandten Strahlen sind jedenfalls die
wieder frei gewordenen, absorbierten Radiumstrahlen, die
durch Einwirkung der Gegenstände modifiziert sind.
Ferner wissen wir vom Radium, dass seine Ausströmungen
, obwohl sie stofflieber Natur sind, so fein sind, dass
in Jahrtausenden kein Gewichtsverlust mit unseren Messapparaten
sich bemerkbar macht.
Wenden wir jetzt das, was wir über das Radium gesagt
haben, auf einen fingierten Fall von Psychometrie an.
Nehmen wir an, ein Gelehrter bewohne jahrelang ein und
dasselbe Zimmer. In demselben sind seine schönsten Arbeiten
entstanden.
Bekanntlich sendet der menschliche Organismus sog.
Odstrahlen aus, die mit den von Blondlot entdeckten
N-Strahlen identisch sein dürften, und besonders das Gehirn
ist bei intensivem Denken ein starker Entwicklungsherd
solcher Strahlen. Auch von dem Körper unseres
Gelehrten und hauptsächlich von seinem Kopfe strömen
also solche Strahlen aus, die sich nach allen Richtungen
ausbreiten, die Gegenstände des Zimmers und seine Wände
teils durchdringen, teils von ihnen absorbiert werden, um
aber wieder von den Wänden und Einrichtungsgegenständen
nach allen Richtungen hin ausgesendet zu werden; man
könnte offenbar auch sagen: die von dem Körper des Gelehrten
ausgehenden Odstrahlen wirken auf seine Umgebung
radioaktiv.
Nach Jahren nun, wenn dieser Gelehrte längst schon
tot ist, gibt man einer hochsensitiven Person irgend einen
*) Man braucht über die Erscheinung der Eadioaktivität des
.Radiums gar nicht zu staunen, denn ähnliche Erscheinungen bietet
die Wärme, das Licht mit seiner Fluoreszenz und Phosphoreszenz,
die Elektrizität und der Magnetismus; es scheint überhaupt, dass
die Radioaktivität ein Wirkungsprinzip sämtlicher
Naturkräfte ist. Man hat zwar das wort „Radioaktivität* zunächst
für die Wirkungsweise des Eadiums reserviert, man hätte es
aber schon längst z. B. auch auf Wärmeerscheinungen anwenden
können. Nehmen wir an, wir bringen in die Nähe eines
Körpers A, von dem wir voraussetzen, dass er gar keine Temperatur
besitzt, einen anderen erwärmten Körper B. Sobald die Wärmestrahlen
des Körpers B den Körper A treffen, fängt sofort auch
dieser an, Wärmestrahlen auszusenden; wir könnten also sagen, der
erwärmte Körper B wirkt radioaktiv auf den Körper A.
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