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Freiroar: Okkulte Erlebnisse der Fürstin Kadziwill. 311
ziehung auf sie ausübte, schreibt sie (S. 218): „Die Pyramiden
dagegen haben mich nicht so beeindruckt, wie ich
mir dachte, vielleicht, weil ich mir so viel von ihnen er-
wartet habe. Auch die Sphinx enttäuschte mich in gewissem
Sinne, und zuerst konnte ich absolut nichts Schönes an
ihrer abgebrochenen Nase und ihrem entstellten Gesicht
finden, Erst einige Monate später, als unser Aufenthalt
in Egypten schon zu Ende ging, entdeckte ich plötzlich eines
Abends die Schönheit dieser Schöpfung, und der Eindruck,
den ich davon gewann, hat mich seitdem nie mehr verlassen
. Ich kann allen Leuten nur raten, das Geheimnis
der Sphinx nur bei Mondlicht zu erforschen. Dann und
nur dann wird man ihre Bedeutung und den Zauber verstehen
, von dem alle erfasst werden, die dem grossen Jenseits
, das uns erwartet, einen Gedanken schenken." —
Sehr bezeichnend für ihren psychologischen Scharfblick
ist auch, was die ebenso erfahrene als feinfühlige Menschen-
kennerin von Cecil Rhodes, dem bösen Genius Südafrikas,
(S. 272 ff.) schreibt: nDie Unterhaltung, die ich eines Tages
mit ihm hatte, Hess mich in seine inneren Gefühle blicken,
wie es. glaube ich, wenig Leute ausser seinen intimsten
Freunden jemals tun konnten. Ich hatte eben ein Buch
gelesen, das „The Martyrdom of Man, von ffinwood-Reade"
heisst. Es ist dies ein sehr bemerkenswertes Werk, welches
durch seine bedeutenden Argumente gegen die Existenz
einer Gottheit einen tiefen Eindruck auf all die machen
muss, die schon ernstlich über dieses Thema nachgedacht
haben. Eines Tages während des Lunches in Groote Schuur
sprach ich zufällig davon und fügte bei, dass dies ein gefährliches
Buch sei, das mir schlaflose Nächte bereitet habe.
Rhodes blickte auf: „Ich kenne es, das ist ein gruseliges
Buch, ich las es, als ich das erste Jahr in Kimberley und
noch ganz unschuldig war. Sie können sich vorstellen,
welchen Eindruck dieses Buch auf mich gemacht hat, besonders
inmitten der Goldfelder." Er hielt einen Moment
inne, dann setzte er in einem ernsten Ton hinzu, der mir
immer noch in den Ohren klingt: Dieses Buch hat aus mir
gemacht, was ich bin." Er sprach noch lange Zeit davon,
aber ich vergass die merkwürdige Art nie, mit der er die
Worte sprach: „Dieses Buch hat aus mir gemacht, was
ich bin.a
Ich kann mir sehr wohl denken, welchen Eindruck
ein Werk, das die Existenz eines höheren Wesens, dem wir
Rechenschaft über unser Tun ablegen sollen, verneint, auf
seinen Geist machen musste, das in seinen Augen Dinge
rechtfertigte, die ihm nie vergeben werden. In einem
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