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Freudenberg; Etwas vom Unterbewusstsem. 339
oder pathologisch überreizte Psyche, sondern um eine ganz
normale solche, und zweitens um das Fehlen jeglicher
Kenntnis des zu Erwartenden und jeglicher persönlicher
Erfahrung auf dem beregten Gebiete, wenigstens in allen
Fällen, welche junge, jungfräuliche Hündinnen betreffen.
Verfügt die junge menschliche Frau auch gleichfalls
noch nicht über persönliche Erfahrung, so gestattet
ihr ihre Intelligenz, ihre Beobachtung an andern, die Belehrung
durch Eltern und Freundinnen, die durch Lektüre
erworbene Kenntnis etc. doch* sich ein ungefähres Bild von
der zu erwartenden körperlichen Entwicklung zu machen.
Treten hier nun Veränderungen körperlicher Art auf, die
in den organischen Verhältnissen keineswegs ihre Begründung
und Rechtfertigung finden, so erscheint der Vorgang
für uns doch insofern nicht ganz unerklärlich, als wir
wenigstens das Bewusstsein dabei beteiligt sehen. Wie
aber sollen wir uns zum Fall der jungfräulichen Hündin
stellen, die ohne geschwängert zu sein, nur durch die blosse
Tatsache einer begonnenen, aber unvollendeten Deckung
nicht nur zu allen einer Schwangerschaft entsprechenden
Erscheinungen, sondern sogar zum grund- und zwecklosen
Durchleben eines veritabeln Geburtsvorganges gebracht
wird? Hier lernen wir freilich die Wahrheit der Lehre
des grossen Okkultisten Paracelsus recht würdigen, wenn
er die „Kraft der Imagination" und deren souveräne Herrschaft
über den Körper und das organische Leben betont.
Indess die Macht der Imagination zeigt sich im Fall der
ungedeckten y jungfräulichen Hündin noch in einem ganz
besonderen Lichte. Da hier jede persönliche Erfahrung
und Erkenntnis fehlt, so sehen wir die Kraft der Imagination
unter diesen Umständen ganz und gar aus dem
Unbewus8ten heraus wirken und zwar nicht einmal aus
dem Unbewussten des Individuums, sondern dem Unbe-
wussten der Art, der Herde, der Gruppe. Ich glaube, der
Leser wird mich verstehen.
Vollzieht sich schliesslich mehr oder weniger jede
schwangerschaftliche Körperveränderung zum guten Teile
im Unbewussten, so sind doch alle einzelnen Erscheinungen
dabei als Folgezustände des von dem reifenden Eie
ausgehenden Reizes aufzufassen und verständlich. Hier aber
fehlt dieser Reiz vollkommen; hier liegt nichts anderes vor,
als eine psychische Beeindruckung. Empfängt diese nun,
indem sie organisierend auftritt, bei der intelligenten
Frau und auch bei dem bereits erfahrenen weiblichen
Tier eine gewisse Direktion, so fallt dies in unserem Falle
ganz fort«
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