http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1906/0368
348 Psychische Studien. XXXIII. Jahrg. 6. Helt. (Juni 1906.)
sogar daran denken Hess, sich dem theologischen Studium
zu widmen. Von späteren Gedichten kommen hauptsächlich
in Betracht: „ Nado wessiers Totenlieda, „Ideal und
LebenÄ, „Das Lied von der Glocke", „Hoffnung", „Thekla
eine Geisterstimme* und „Worte des Wahns". Da diese
Dichtwerke von jedermann leicht nachgeschlagen werden
können, kann ich mich auf die Wiedergabe einer Probe,
der von besonderer Wärme und Ueberseugung erfüllten
letzten Strophe der „Hoffnung" beschränken:
Es ist kein leerer, schmeichelnder Wahn,
Erzeugt im Gehirne des Toren,
Im Herzen kündet es laut sich an:
Zu was Besserm sind wir geboren;
Und was die innere Stimme spricht,
Das täuscht die hoffende Seele nicht.
Auch in den Dramen Schillert erklingt die Unsterblichkeitsidee
immer wieder. So stellt Karl Moor die folgenden
Betrachtungen an: „Wofür der heisse Hunger nach
Glückseligkeit? Wofür das Ideal einer unerreichten
Vollkommenheit? Das Hinausschieben unvollendeter
Plane? — Wenn der armselige Druck dieses armseligen
Dings (die Pistole vors Gesicht haltend) den Weisen
dem Toren — den Feigen dem Tapfern — den Edeln
dem Schelmen gleich macht? — Bs ist doch eine so göttliche
Harmonie in der seelenlosen Natur, warum sollte
dieser Missklang in der vernünftigen sein? — Nein! Nein!
es ist etwas mehr, denn ich bin noch nicht glücklich gewesen
..... Sei wie du willst, namenloses Jenseits —
bleibt mir nur dieses mein Selbst getreu. — Sei wie du
willst, wenn ich nur mich selbst mit hinübernehme.a
Amälia vertröstet bei der falschen Nachricht von Karts
Tode den alten Moor auf das Wiedersehen und ruft begeistert
aus: „Sterben ist Plug in seine Arme." — In
„Kabale und Liebe* meint Luise, nur ein heulender Sünder
konnte den Tod ein Gerippe schelten; er sei vielmehr „ein
holder, niedlicher Knabe, blühend, wie sie den Liebesgott
malen, aber so tückisch nicht — ein stiller, dienstbarer
Genius, der der erschöpften Pilgerin Seele den Arm bietet
über den Graben der Zeit, das Peenschloss der ewigen
Herrlichkeit aufschliesst, freundlich nickt und verschwindet."
— Der von seinem nahen Tode überzeugte Posa sagt zur
Königin: „Gewiss, wir seh'n uns wieder" und zu Carlos:
„Du verlierst mich, Carl, — auf viele Jahre, — Toren
nennen es auf ewig." — In der „Jungfrau von Orleans"
reicht Lionel dem sterbenden Talbot die Hand mit den
Worten: „Auf Wiedersehn in einer andern Welt." Der
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1906/0368