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Maier: Das Gesetz des Zufalls und die Metempsychose. 359
blick auf dem Meer und in Todesgefahr" und: „Sie haben
einen Sohn, er wird Soldat werden." Seine Mutter glaubte,
ihr Mann fahre zu Schiff an der spanischen Küste hin und
wollte schon an seine zuletzt angegebene Adresse schreiben;
als sie aber heimkam, fand sie einen Brief mit der Nachricht
, er sei gesund und werde bald wieder zu Hause sein,
so dass sie voll Freude sich mit den übrigen Hausgenossen
über die Zauberin lustig machte. Aber einige Tage später
brachte ihre Mutter (des Verf. Grossmutter) ganz in Tränen
die unerwartete Nachricht vom Tode ihres Sohnes (Onkel des
Verf.), der unter dem General Cousin-Montauban die Expedition
nach China mitgemacht hatte. Die Militärverwaltung meldete
kurz: „verloren zur Seespäter erst erfuhr man, dass
er auf der Heimfahrt als Schatzmeister Wertsachen und
beträchtliche Summen bei sich hatte und wahrscheinlich bei
Nacht ermordet, bestohlen und über Bord geworfen worden
war. — Wenn schon hiebei die Annahme einer bloss zufälligen
Koinzidenz schwer fällt, so ist der prophetische
Charakter der zweiten Erklärung der Kartenschlägerin noch
augenscheinlicher. Wie konnte sie wissen, dass die ihr völlig
unbekannte Dame nur einen Sohn habe? Verf. erklärt,
dass er in jungen Jahren eine ausgesprochene Abneigung
gegen die militärische Laufbahn hatte und deshalb seinem
Vater wiederholt das Versprechen abnahm, für ihn einen
Ersatzmann zu suchen. Nun kam aber — lange Zeit, nachdem
man ihm jene von ihm gut im Gedächtnis behaltene
Voraussage der „alten Hexe" erzählt hatte, — das für Frankreich
verhängnisvolle Jahr und am 27. Juli 1872 das Gesetz
der allgemeinen Wehrpflicht, wobei es keinen Ersatz
mehr gab ; so wurde er schon zwei Jahre nachher bedingungsweise
auf ein Jahr Soldat.
Materialisten, welche das genaue Eintreffen solcher —
oft zweideutiger — Prophezeiungen zugeben müssen, werden
einwenden, wenn das wahr wäre, so wäre es zugleich das
Ende der Willensfreiheit. Für die Schüler Kanfs steht
aber, wie Verf. richtig bemerkt, die Freiheit nach der
praktischen Vernunft ausser Baum und Zeit, während die
Aufeinanderfolge der Phänomena in Baum und Zeit ge-
wissermassen die empirische Manifestation der vom Absoluten
in der Welt der Noumena freigefassten Erschliessung
ist. Derartige Tatsachen würden also für konsequente
Kantianer nur die Genauigkeit des Determinismus in Baum
und Zeit beweisen, ohne das Prinzip der Freiheit aufzuheben
. Für den ersten der berichteten Fälle würde sich
noch die Frage erheben, ob das Kartenschlagen vor oder
nach dem Tode des Onkels stattfand. Ersteres scheint
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