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Indische Zauberkünste.
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nuten lang; als er geendet, war der Baum verschwunden.
Er grub die Mangolrucht wieder aus und ging fort. Bei
einer anderen Gelegenheit sah Hensoldt, wie dasselbe Kunststück
von einem Kam Singh in einem Dorf nahe bei
Serinagur vollbracht wurde. Diesmal sah er nicht nur den
Baum, sondern er photographiertc ihn auch, berührte ihn
nicht nur mit den Fingern, sondern will sogar einige Fuss
daran hinaufgeklommen sein! —
Ueber ein noch sonderbareres Wunder mit einem Seil,
das fast wie eine Münchhauseniade klingen könnte, wenn es
nicht so ernsthaft und in wissenschaftlicher Weise erzählt
wäre, macht Hensoldt folgende Mitteilungen: „Ein Sadhu,
der zuerst zu einer grossen Menge Volks gepredigt hatte,
zog dann ein etwa 15 Fuss langes und einen Zoll dickes
Seil hervor. Ein Ende dieses Seiles hielt er in der linken
Hand, während er das andere Ende mit der rechten hoch
in die Luft warf. Das Seil, anstatt herabzufallen, blieb
wie von unsichtbaren Händen in der Luft festgehalten
oben, und als der Zauberer auch die andere Hand losliess,
schien es so steif und fest wie eine Säule in der Luft zu
stehen. Dann packte es der Sadhu mit beiden Händen
und klomm zu meinem äussersten Erstaunen an dem Seil
empor, wobei das Tau aller Anziehungskraft der Erde zum
Trotz wenigstens fünf Fuss über dem Boden schweben blieb.
Je höher er hinauf klomm, desto mehr schien sich das Seil
zu verlängern, denn er kletterte immer weiter daran hinauf,
bis er ausser meiner Gesichtsweite war und ich zuletzt nur
noch seinen weissen Turban und ein Stück dieses niemals
endenden Seils unterscheiden konnte. Dann konnten meine
Augen den Glanz des Himmels nicht länger ertragen, und
als ich wieder aufblickte, war er verschwunden . . .« -
Hensoldt erzählt dann noch von einem besonders kundigen
Magier, den er in seiner Wohnung auf den Trümmern
einer zerstörten Stadt im Nordwesten von Serinagur besucht
hat. Ehe der Gelehrte aber seine Erzählungen nicht
durch eine nähere aufklärende Beschreibung erläutert hat,
werden freilich seine Geschichten bei der offiziellen Wissenschaft
so wenig Anklang finden, wie die von ihm verspotteten
Wunderberichte der Mme. Blavatsky.*)
*) Eine u. E. glücklich abgefasste Erwiderung auf den erneuten
und sehr schweren Angritt des Herrn Dr. phil. Heinrich Hensoldt
gegen die Theosoph. Gesellschaft in seiner Broschüre: „Annie
Besanl eine wunderliche Heilige* (48 S., Verlag von H.
Rati, Berlin N. W. 5, Birkenstr. 76, Preis 75 Pf.) brachte das April-
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