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378 Psychische Studien. XXXIII. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1906.)
des ,,Messageru reproduzierten Mitteilung des „Petit Bleu"
vom 8. Mai er. soll Leoh XIII. Nachfolger, der schon (vor
seiner Besteigung des heiligen Stuhles) zu Venedig in „notorischen
Beziehungen zu leidenschaftlichen Rittern des sich
drehenden Tisches gestanden" habe, sein lebhaftes Interesse
für die spiritistische Bewegung neuerdings damit betätigt
haben, dass er seinen und seines Vorgängers Leibarzt
, den bekannten Dr. Lapponi 9 zu dessen — angeblich
mit Approbation der Kurie in gut katholischem Verlag erschienenem
— grossem Werk über die Wahrheit des Spiritismus
, dessen Publikation Se. Heiligkeit selbst inspiriert
und dessen erstes gedrucktes Exemplar er vom Verfasser
gewidmet erhalten habe, ostentativ beglückwünschte. Das
Erscheinen dieses ßuehs unter den Auspizien des Oberhauptes
der Kirche erregt in der wissenschaftlichen und literarischen
Welt Roms um so grösseres Aufsehen, als jene bekanntlich
bisher im Spiritismus eine verabscheuungswürdige
Ketzerei und eitel Teufelswerk erblickt hat. — Unter der
Spitzmarke „Katholizismus und Spiritismus" schreibt hierüber
die „Beil. zur Allgem. Ztg.", Nr. 115, dat. München,
18. Mai er.: „In Rom beginnt man sich mit den Problemen
des Hypnotismus, Spiritismus und Okkultismus Weder leb-
taafter zu beschäftigen. Fr. AI M. Lepicier, Professor der
Theologie am Kollegium der Propaganda in Rom, hat vor
kurzem bei Kegan Paul, Trench, Trübner and Cie. in London
ein Werk, betitelt „The Unseen World" („Die unsichtbare
Welt-) herausgegeben, ia dem das Verhältnis der katholischen
Theologie zu dem modernen Spiritismus dargelegt
und die dämonologische Hypothese, an der bisher von
katholischen Theologen zur Erklärung des Spiritismus festgehalten
wurde, wieder vertreten wird. Auf dieses Werk
ist nunmehr eine Schrift des Leibarztes Leo's XIIL, Dr.
Lapponi, betitelt „Ipnotismo e Spiritismo, studio medico-cri-
tico" (Hypnotismus und Spiritismus. Eine mediko. kri-
tische Studie), gefolgt. Der Verfasser behauptet, was selbstverständlich
bereits grösseres Aufsehen erregt hat, man
könne heutzutage nicht mehr in Abrede stellen, dass es
Wesen gebe, die insofern höher stehen als der Mensch, weil
sie nach dem Leben in eine „andere Welt", bezw. in einen
höheren geistigen Zustand, gelangt sind, und dass diese Beziehungen
mit dem Menschen unterhalten, mit Leichtigkeit
seinem Rufe folgen und auf Wunsch des Menschen erstaunliche
Phänomene veranlassen können. Dr. Lapponi betont
in seinen Ausführungen, dass er bestrebt sei, die Wissenschaft
mit dem Glauben auszusöhnen, was in italienischen
Organen bereits anerkannt wird, die sogar diesen
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