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De Freuiery: Anleitung zur Kenntnis de» Spiritismus. 387
Ehre antun, da du ja einen ganzen Pfefferkuchen gegessen
hast."
„Was sagst du?a fragte mein Onkel, der Arzt, mehr
oder weniger verlegen wegen seiner Naschhaftigkeit.
„Hast du dir nicht den Pfefferkuchen schmecken lassen,
während du auf dem Leinpfad gingest und dem wegtreibenden
Holzfloss zusähest." Mein Onkel konnte es nicht leugnen
und wurde seit dieser Zeit aus einem Ungläubigen ein
Gläubiger. — Ein solches Hellsehen ist nicht ausschliesslich
dem magnetischen Schlaf eigen. Es ist in Schottland,
Dänemark und Skandinavien allgemein unter dem Namen
des zweiten Gesichts bekannt und kommt auch in anderen
Ländern als natürliche Eigenschaft mancher Personen vor.
Bewusstes Hellsehen kann auch durch den Magnetismus
hervorgerufen werden. Es gelang dem Major Buckley,
bei 89 Personen einen Grad von Hellsehen zu erwecken,
durch welchen sie, ohne zu schlafen, also bei vollem Be-
wusstsein, im stände waren, Losungsworte zu lesen, die in
Dosen, Nusssohalen usw. verschlossen waren. Das gleiche
Vermögen entwickelt sich bei einigen Personen durch das
starre Sehen in Kristalle. Die Erscheinungen des Somnambulismus
sind also keine Folge des bewusstlosen Zustandes
des Körper.
Genauer ergibt sich das noch aus folgendem Experiment
, das Professor Zöllner mit Slacle machte, dessen Hellsehvermögen
er entdeckt hatte. Er hatte zwei Nicofsohe
Prismen drehbar an einander befestigt und einen Schirm,
der die freie Aussicht einer dahinter aufgestellten Person
vollständig verhnderte, mit den Prismen so verbunden, dass
bloss durch diese die vor den Schirm gestellten Gegenstände
zu sehen waren*) Wenn die Achsen beider Prismen eine
bestimmte Stellung zu einander einnehmen, sind sie nicht
mehr durchsichtig. Als nun Slade, hinter dem Schirm
stehend und durch die Prismen schauend, bei dem Drehen
des einen Prismas nicht die geringste Veränderung in der
Durchsichtigkeit bemerkte, nahm Professor Zöllner ein
Buch, in dem er einige Zeilen unterstrichen hatte, hielt es
in einem Abstand von ein paar Schritten vor den Schirm
und ersuchte Stade, der nichts von dem Buch sehen konnte,
die bezeichneten Stellen zu lesen, während die Prismen so
gestellt waren, dass die Durchsichtigkeit aufgehoben war.
Zu aller Ueberraschung las Slade sie sofort fehlerlos vor.
Auch beim Wachbewusstsein verfügt der Mensch also
über metaphysische Vermögen. Diese äussern sich in der
*) Zöllner: „Wissenschaftliche Abhandlungen", II, l, S. 343.
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