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408 Psychische Studien. XXXIII. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1906#)
Noch zwingender als die Kopfuhr sprechen für die
Selbständigkeit der Seele gewisse Erscheinungen des
Traumlebens, die nicht aus irgendwelchen, dem eigenen
Organismus angehörigen Ursachen entspringen fwie die gewöhnlichen
Träume), sondern eine Beziehung zur Aussen-
weit haben. Am ausgesprochensten ist dies bei den sogen.
Wahrträumen der Fall, bei welchen der Träumende eine
räumlich oder zeitlich fernliegende Wirklichkeit wahrnimmt,
bezw. vorausschaut. Der Wahrtraum und das mit ihm
nahe verwandte somnambule Hellsehen in Zeit und
Raum, über welche Phänomene schon Schopenhauer in
seinem „Versuch über das öeistersehen und was damit zu-
sammenhängt" sich eingehend ausgesprochen hat, ferner
auch die Telepathie (das dem drahtlosen Telegraphieren
analoge Ferngefühl) und das Fernwirken spotten jeder
physiologischen Erklärung — da sie sogar ohne den Ge-
brauch der körperlichen Organe zustande kommen - natür-
lieh dermassen, dass sie von den Materialisten und anderen
„Aufgeklärten" um jeden Preis geleugnet werden müssen.
Diese Welträtsel-Erklärer rennen also lieber mit dem Kopf
gegen die Wand, als dass sie sich gefangen gäben, weil sie
eben bei aller sonstigen Kurzsichtigkeit wohl wissen, was
mit der Anerkennung der genannten Phänomene auf dem
Spiele steht. Wie rückgängig dieser Widerstand ist, erhellt
aus den Worten, die der angesehene Forscher Prof.
Eichet schon vor Jahren (im 42. ßand der „Proceedings of
the Society for Psychical Researcha) geschrieben: „Heutzutage
macht sich niemand mehr über diejenigen lustig, welche
von Telepathie und Vorahnungen, von Mentalsuggestion und
ähnlichen Erscheinungen reden, die noch vor 26 Jahren
den Spott, ja sogar das Mitleid der sog. Vernünftigen erregten
. Der denkende Teil der Menschheit hat schliesslich
einsehen gelernt, dass hier ein Schatz neuer Wahrheiten
vorliegt, die noch wichtige!' und fruchtbarer sind, als alle
alten Wahrheiten.1*
Was insbesondere das Vorausschauen betrifft, so
ist die Zahl der sicher gestellten Fälle, in denen noch dazu
bestimmte Einzelheiten vorhergesagt wurden, so gross,
dass man den Zufall mit dem besten AVillen nicht mehr
verantwortlich machen kann. So hat die sogar von der
„aufgeklärten" Tagespresse beachtete Berliner Seherin Frau
de Fernem u. a. den Schiflsbrand im Hafen von New-York
(1900), das Kohlengrubenunglück bei Dux-Brüx (1900), den
Untergang des Schulschiffes „Gneisenau" (1900) und das
Erdbeben auf der Insel Martinique (1902) vorhergesagt und
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