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M. K.: Offenbarungsspiritisten.
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Medien, von solchen Leutchen liest, ist allerdings meist
wenig geeignet, Sympathien für dieselben zu erwecken, und
der Schreiber dieser Zeilen ist am wenigsten geneigt, phantastischen
und abergläubischen Dummköpfen die Brücke zu
treten*
Man soll aber andererseits auch nicht das Eind mit
dem Bade ausschütten. Es gibt auch unter diesen einfachen
, von des Gedankens Blässe nicht oder wenig angekränkelten
Leuten, wie ich aus Erfahrung weiss, solche, vor
deren Auffassung des Spiritismus man alle Hochachtung
haben muss, wenn auch herzlose, akademisch gebildete
Spötter über sie witzeln mögen.
In der Hegel, und wie dies ja auch ganz natürlich ist,
trägt der spiritistische Glaube solcher Personen einen rein
religiösen Charakter. Ist doch der Unsterblichkeitsgedanke,
mit dem sich der Spiritismus beschäftigt und den er auf
empirischem Wege beweisen will, der wesentlichste Bestandteil
fast aller höher stehenden Keligionen. Meist sind es
also religiös gesinnte, geistig geweckte und nach Belehrung
und Aufklärung dürstende Menschen, die sich zu einem so-
genannten Zirkel zusammentun; das offizielle Kirchenwesen
mit seiner regelmässigen Sonntagspredigt, welche die grosse
Masse passiv und stumpf über sich ergehen lässt, genügt
ihnen nicht mehr recht. Ihr lebendiger Geist verlangt nach
weiterer Nahrung, und der Spiritismus mit seinen Anklängen
an indische Theosophie bietet ihnen dann das, was
sie suchen.
Mehrere solcher Gleichgesinnter versammeln sich regelmässig
in der Wohnung eines der Ihrigen und unterhalten
sich zunächst, meist auf Grund eines Bibelwortes, über religiöse
Fragen. Jeder gibt seine Meinung und Auffassung
derselben kund, und es entwickeln sich dann oft recht anregende
und geistig fordernde Gespräche.
Ist ein Medium — meist ein Sprechmedium — mit anwesend
, so gerät dieses wohl auch in den Transzustand,
und durch seinen Organismus geben sich angeblich fremdgeistige
Wesen kund, aus deren Aeusserungen oft hervorgeht
, dass sie im Jenseits keineswegs himmlische Freuden
gemessen, dass sie vielmehr die Führung ihres vergangenen
leiblichen Lebens bitter bereuen und genau das ernten,
was sie gesäet haben.
Den Anwesenden wird deutlich gemacht, dass Himmel
und Hölle lediglich seelische Zustände sind, denen
jeder ganz gesetzmässig mit unerbitterlicher Logik verfällt
Oft sind diese Wesen hoch erfreut, dass ihnen Gelegenheit
geboten wird, sich Menschen gegenüber aussprechen zu
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