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432 Psychische Studien. XXXIII. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1906.)
nicht hindern werden, am Tage des grossen Kladderadatsches
über ihre Peiniger herzufallen und ihnen mit ebensolcher
heiteren Seelenruhe den Schädel einzuschlagen, als
hätten sie niemals Salz und Brot geteilt.
Anders liegt die Sache in Indien — und erst dann,
wenn man monatelang allein als Weisser im Innern umherstreicht
, wird man einen Begriff von jenem kalten und versteinerten
Hass erhalten, der diese ganze Easse durchzieht
— ein Uass, der sich nicht allein gegen den Engländer
oder den Kaukasier überhaupt, sondern gegen alles richtet,
was nicht braune Haut und schwarzes Haar aufweisen
kann. Waren doch jahrhundertelang die Mongolen ihre
strengen Herren; — dann kamen wieder Weisse —; und
schmachteten die einzelnen Siaaten nicht ansnahmslos sogar
in der Zeit ihrer Unabhängigkeit von fremden Rassen unter
dem Joche nachbarlicher Eroberer?
Kein Volk der Welt hat weniger Aussicht auf politische
Selbständigkeit als die Inder. Gesetzt den Eall, es
würde ihnen mit Kusslands Hilfe je gelingen, die Briten
hinauszuwerfen, so fallen sie sotort wieder in andere Knechtschaft
, — denn es ist ein Volk von Sklaven, eine Basse von
Knechten pid Dienern, bar jeden Selbstvertrauens. Aber
es sind freche Sklaven, deren einzige Entschädigung für die
ewige Bedrückung sich in einem gesteigerten Selbstbewusst-
sein gefällt, das ihnen alle anderen Rassen oder Nationen
als tapfere, aber rohe Banditen erscheinen lässt.
Sie lieben uns nicht. Nein — sie hassen und verachten
uns. Uns, die Fleischfresser, denen die Jagd, der Mord ein
Vergnügen bereitet, während doch der erste Grundsatz der
Hindureligion lautet: „Du sollst nicht töten!" Uns, die
Leute, die keine Kaste kennen und zu Hunderten gemeinsam
an derselben Tafel essen! Uns, die Christen, die in
der Messe symbolisch Blut opfern — mit einem Worte, uns,
die Räuber, die Barbaren, die Mörder, die aber an Intellekt
weit hinter dem letzten Paria zurückstehen; — denn der
elendeste Kuli wird den weisesten Europäer belügen und
betrügen können, ohne dass jener es merken wird; und
selbst wenn er es merkt, ist er doch zu dumm und zu roh,
um sich davor zu schützen. Sie hassen uns mit dem vollen
verletzten, tötiich gebeugten Stolz eines alten Kulturvolkes,
sie hassen uns als ihre Peiniger und Bedrücker, sie hassen
uns als den Inbegriff der Rohheit und frechen Dummheit
mit kaltem, tötlichem Hass. Jeder von uns erscheint ihnen
nicht nur als Mitglied jener Rasse, sondern auch ganz speziell
persönlich hassenswert, und zwischen ihnen und uns
wird es niemals gemütliche Berührungspunkte geben.
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