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438 Psychische Studien. XXXIII. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1906.)
Buch erregte in den letzten 30 Jahren des vorigen Jahrhunderts
weit über die Grenzen Deutschlands hinaus solches
Aufsehen. Aber nicht nur der reinen Philosophie wandte
H. seine glänzende schriftstellerische Begabung zu: er nahm
zu allen die Gegenwart bewegenden Problemen des geisti-
gen Lebens, zu religiösen Fragen, Politik, Gesellschaft®«
lehre, Arbeiter- und Frauenfrage, Spiritismus (den er freilich
nur theoretisch kannte), Schulreform, Tierschutz usw. in
besonderen Schriften und Aufsätzen Stellung und trat sogar als
dramatischer Schriftsteller unter dem Pseudonym Karl Robert
mit mehreren hübschen Dichtungen hervor. Ein schlagfertiger
Dialektiker, schon durch seine vielseitige Bildung stets anregend
und literarisch ausserordentlich fruchtbar, schrieb er
u.a.. „Die Selbstzersetzung des Christentums und die Religion
der Zukunft" (Berlin 1874), „Die Phänomenologie des
sittlichen ßewusstseins" (1879), „Die Eeligion des Geistes"
(1882), „Philosophische Fragen der Gegenwart" (1885),
;,Aesthetik" (1887), „Geschichte der Metaphysik" 1900 ff.;
noch im vorigen Jahr erschien sein geistvolles Buch: „Das
Christentum des neuen Testaments." So hat sich der Name
Ed. v. Hartmann nicht nur in der Geschichte der neueren
Philosophie, sondern in der Weltgeschichte des menschlichen
Geistes unauslöschlich eingeprägt. — Der theoretische
Schwarzseher war praktisch ein heiterer Menschenfreund
; er gehörte verschiedenen gemeinnützigen Vereinen,
u. a. auch dem „Kriegerverein Gross-Lichterfelde" an und
war zweimal glücklich verheiratet; beide Gattinnen waren
auch verständnisvolle Gefährtinnen seiner wissenschaftlichen
Bestrebungen und selbst schriftstellerisch tätig. Die Beerdigung
fand am 9. Juni, nachmittags 3 Uhr. von der Kapelle
des Garnisonskirchhofs in der Hasen haide aus statt
und gestaltete sich zu einer bedeutsamen Kundgebung. —
Seine 1885 veröffentlichte Streitschrift „Der Spiritismus
" veranlasste den Begründer der „Psych. Stud." 1890
zu einer ausführlichen „Antwort mit besonderer Berücksichtigung
der Hypothesen der Halluzination und des ün-
bewussten", worauf dann Hartmann 1891 in der Broschüre:
„Die Geisterhypothese des Spiritismus und seine Phantome
" erwiderte. Aus dieser Polemik entstand bekanntlich
Aksakow's (jetzt in 4. Aufl. vorliegendes) grosses Handbuch
über das reiche Tatsachenmaterial des Mediumismus: rAni-
mismus und Spiritismus" (2 Bde.) und so wurde der Verewigte
, ohne es zu wollen, ein Hauptförderer der spiritistischen
Bewegung in Deutschland.
b) f L u i s e H i t z , unsere treubewährte, langjährige
Mitarbeiterin, ist am er. zu München sanft ent-
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